Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Internationale Aufgaben und Weltkartenprobleme. 
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der geologischen Weltkarte warten wollte, bis die Erde vollständig geologisch er 
schlossen ist — denn an den meisten Stellen ist sie nur punktartig angeklopft —, dann 
dürfte die Bearbeitung der geologischen Weltkarte noch viele Jahrzehnte, wenn nicht 
Jahrhunderte hinausgeschoben sein. Man fand den Vorschlag Beyschlags gut und 
die Ausführung wurde beschlossen. Dagegen sprachen hei dem Weltkartenprojekt 
zu viele andre hinein, und trotzdem sind dabei, was das Tragikomische der ganzen 
Angelegenheit ist, die richtigen Sachverständigen doch nicht befragt worden. Eine 
andere Weltkarte ist die Welt tiefenkarte in 1:10000000, deren zweite Auflage 
1910 in Monaco beschlossen wuide und deren Bedaktion in den Händen von 
G. Schott liegt. 1 v 
Ein andres gewaltiges Kartenunternehmen ist von sich allein aus zu einem 
Welt karten werke ausgewachsen, ohne sich selbst als solches zu deklarieren, nämlich 
die Seekarte, die sich dank der rastlosen Aufnahmetätigkeit der englischen Marine, 
der sich die deutsche und andere würdig zur Seite stellten, auf fast alle verkehrs 
tätigen und wichtigen Küstengebiete der Erde erstreckt. Würden sich die Engländer 
zum Meteimaß bequemen, läge in den Seekarten der seefahrenden Staaten ein nahezu 
einheitliches Weltkartenwerk vor. 
Die Weltkartenprobleme sind meist deutschen Ursprungs, so auch 
ein andres Problem, das für die Kartographie von eminentem Einfluß geworden ist. 
Das unsterbliche Verdienst des preußischen Generals J. J. Baeyer ist es, 1867 die 
europäische Gradmessung ins Leben gerufen zu haben, die sich 1886 zur „inter 
nationalen Gradmessung“ erweiterte und mit Ausnahme der Türkei 1 2 die europäischen 
Länder und ganz Nordamerika umfaßt. Wenn erst diese internationale Gradmessnng 
sich über sämtliche Kontinente erstrecken und so zu einer wirklichen internationalen 
oder Weltgradmessung werden wird, wenn erst, eine einheitliche trigonometrische 
Vermessung I. Ordnung über ganze Kontinente hinweggeführt sein wird und die durch 
die astronomischen und trigonometrischen Aufnahmen und Arbeiten eines solchen 
internationalen Zusammengehens gewonnenen Resultate vollkommen berechnet und 
abgeschlossen vorliegen, so daß die Projizierung der wahren Lage der Parallelkreise 
und Meridiane für Spezialkarten keine Schwierigkeiten mehr macht, wenn erst die 
Höhenbestimmung aller wichtigen orographischen Punkte der wirklichen Erdober 
fläche eine befriedigende Genauigkeit erreicht haben, und wenn man erst in den meisten 
wichtigem Ländern sich darüber einig ist, wie die Karten nach gleichen Prinzipien 3 
herzustellen sind, dann werden wir die wissenschaftliche Karte xar e^o/ijv zeichnen, 
1 Vgl. Annal, der Hydrogr. 1910, 8. 220ff. oder P. M. 1910. II. S. 144. — Die zweite Auflage 
ist die Bearbeitung der schon vorhandenen Carte bathymétrique des océans; sie unterscheidet sich 
von der ersten hauptsächlich durch Hinzufügung der Landisohypsen zu den Meeresisobathen. Bis 
jetzt (Sommer 1921) sind die fertiggestellten Blätter noch nicht im Buchhandel erschienen. 
2 Die Balkanstaaten sind heute wie vor Jahren noch rückständig. Besonders läßt die physi 
kalisch-geographische Erforschung und der damit zusammenhängende Niederschlag in Karten immer 
noch zu wünschen übrig. Es hat sich nicht viel gebessert seit der Zeit, als E. v. Sydow in P. M. 
1857 S. 22 schrieb, daß die Kartographie der südöstlichsten Halbinsel Europas noch außerordentlich 
lückenhaft sei und den fernem scientiven Eroberungen ein sehr großes Feld darbiete. — In den 
Bemerkungen zu der Karte über seine Reisen in Bulgarien 1870—74 (P. M. 1874, Taf. 22) sagt 
F. Kanitz S. 429: „Das Bedürfnis einer umfassenden physikalisch-geographischen Erforschung des 
Bodens wird nur in Ländern empfunden, in welchen Regierung und Regierte gleichmäßig von fort 
schrittlichen Bestrebungen für die Hebung des Nationalwohls erfüllt sind.“ 
3 Vgl. M. Heinrich: Der Standpunkt der offiziellen Kartographie in Europa. G. J. XII. 
1888, S. 309.
	        
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