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Teil II.
Das Kartennetz
A. Zur Kritik der Kartenprojektion chorographischer Karten.
I. Zur Geschichte der Kritik der Kartenprojektion. 1
44. Die Projektionstheorie im allgemeinen Umriß. Die geographische Karte
ist die auf die Ebene gezeichnete Projektion eines großem oder kleinern Teils
der Erdoberfläche. 1 2 In ähnlicher Weise wurde die Karte schon von den ersten
Projektionstheoretikern definiert (s. S. 48, 50, 54), womit in kurzen Worten der
Hauptzug des Wesens einer Karte zum Ausdruck gebracht wird. Heute ist die
Kenntnis der Projektionslehre ein vornehmer Bestandteil des Bildungsschatzes des
wissenschaftlich arbeitenden Geographen. Damit soll nicht gesagt werden, daß diese
Kenntnis der absolute Gradmesser für den Wert des Könnens eines Geographen
sei. Wer wollte leugnen, daß Friedrich Katzel einer unserer besten Geographen
war und doch lag ihm die Projektionslehre vollständig fern. Selbst mit Ferdinand
v. Richthofen war es in dieser Richtung kaum besser bestellt. Auch unter den
gegenwärtigen wissenschaftlichen Geographen dürfte sich noch dieser und jener finden,
der überhaupt für mathematische Dinge wenig übrig hat; ihm deshalb einen Vorwurf
zu machen, dürfte nicht angebracht sein. Ist es auch auffällig, daß kartographische
1 Die kritische Betrachtung über die Kartenprojektion ist in ihren zwei ersten Haupt
abschnitten großenteils bereits 1910 in Hettners Geographischer Zeitschrift erschienen. Ich hatte
sie Hermann Wagner zu seinem 70. Geburtstage gewidmet. Allgemein ist sie beachtet und das
Einverständnis mit ihr zum Ausdruck gebracht worden. Kritisch ins Einzelne war nur H. Wagner
eingetreten. In einem langen Briefe hat er seine Einwände dargelegt, was mich um so mehr erfreut
hat, da ich ihn als den kartenkritisch begabtesten Geographen schätze, dessen Urteil im In- wie
Auslande etwas zu bedeuten hat. Ich danke ihm auch an dieser Stelle für die Mütie und Arbeit, deren
er sich im Interesse der Verbesserung meiner Abhandlung unterzogen hat. — Dank schulde ich auch
Ernst Debes, der sich in einem längern Schreiben an mich vom 15. Nov. 1910 mit meiner Abhand
lung über die Projektionen befaßte. — Zum weitem Studium sei ganz besonders auf die ausgezeichneten
Berichte über die Fortschritte der Projektionslehre im Geographischen Jahrbuch, herausgegeben
von H. Wagner, hingewiesen, die seit 1894 von E. Hammer geschrieben worden sind (G. J. XVII,
1894; XIX, 1896/97; XX, 1897/98; XXIV, 1901/02) und seit 1904 von H. Haack (G. J. XXVI,
1903/04; XXIX, 1906/07; XXX, 1910). Vor allem berücksichtigen diese Berichte auch viele außer
deutsche Veröffentlichungen, deren eingehende Würdigung mich hier viel zu weit geführt hätte,
sie gehört auch mehr in ein Handbuch der Kartographie oder der Kartenprojektionen.
2 Anders oder weiter wird man die Karte definieren, wenn man deren Inhalt nach dem
logischen Charakter des Inhalts untersucht. Vgl. A. Hettner: Die Eigenschaften und Methoden
der kartographischen Darstellung. G. Z. 1910, S. 15.