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Das Kartennetz:
gangen; H. Wagner hat eine Rekonstruierung gegeben. 1 Die erste quadratische
Plattkarte der gesamten Erde ist schon vor Mercators großer Weltkarte gezeichnet
worden, und zwar auf der etwas rohen Holzschnittkarte von Robert Thorne 1527. 1 2
Doch das war eine rara avis. Die nächste scheint sich erst um 1600 bei Arnoldi zu
melden. In den verschiedensten Ptolemeen treten uns Plattkarten entgegen; 3 und
im Hinblick auf ihren weitern Gebrauch kann man sagen, daß die rechteckige Platt
karte die Länderkarten beherrscht, soweit nicht der trapezförmige Entwurf von
Nie. Germanus bevorzugt wurde.
Die Projektion mit den konvergierenden geraden Meridianen oder die trapez
förmige Projektion (d’Avezac: projection trapeziforme) hatte zuerst Dominus
Nicolaus Germanus auf Manuskriptkarten zum Ptolomäus angewandt. Ver
schiedene Exemplare davon fanden eine weite Verbreitung. Vielleicht haben sie die
Anregung gegeben zu den Karten in gleichem Entwurf auf der römischen Ptolemäus-
ausgabe vom Jahre 1478. Unter dem Namen von Donis Nicolaus Germanus
wurde 1482 zu Ulm eine Ptolemäusausgabe gedruckt, durch die die trapezförmige
Projektion vor allem bekannt wurde. Der Atlas, der 82 Karten umfaßt, ist berühmt
nicht bloß wegen der neuen Projektion, sondern auch wegen der ersten in Holzschnitt
ausgeführten Ptolemäuskarten und wegen der fünf modernen Karten (Spanien,
Frankreich, Skandinavien, Italien und Palästina), die den 27 alten Karten des CI.
Ptolemäus, bzw. Agathodämon, eines jüngern Zeitgenossen des großen Alexan
driners, angefügt sind. 4 Diese Ausgabe des Ptolomäus hatte Veranlassung gegeben,
von einer „Projektion von Donis“ zu sprechen, was jedoch mit Unrecht erfolgte,
wie schon Nordenskiöld nachgewiesen hat. 5 Die Projektion war außerordentlich
beliebt und wurde viel angewandt, wie von A. Ortelius, G. Mercator u. a.; sie
spielt in der Geschichte der Projektion eine ähnliche Rolle wie die annähernd hundert
Jahre später aufgekommene Mercator-Sansonsche Projektion.
49. Die von Mercator angewandten Entwürfe. Das 15. und 16. Jahrhundert
haben sowohl die alten Kartenentwürfe neu belebt wie neue hinzugeschaffen; die
neuen sind jedoch vielfach nur Verbesserungen der zwei Ptolomäischen Entwürfe.
Wohl keins dieser Netze war dem kritischen Auge Mercators entgangen. Jedes
Netz probierte er aus und untersuchte es auf seine Verwendbarkeit für die Dar
stellung einzelner Länder oder ganzer Erdteile. Die Auswahl der Projektionen für
die Größe des darzustellenden Gebietes maßgebend sein zu lassen, daran hatte vor
Mercator niemand gedacht. Wir wandeln auch hier wieder auf den Spuren eines
genialen Mannes. Vielen Entwürfen, deren Dasein halb in der Theorie, halb in klein-
maßstabigen, kaum beachteten Karten schlummerte, hat er zu neuem Leben ver-.
holfen; und wenn er auch selbst kaum eine eigene Projektion erfunden hat, bleibt
ihm dennoch sein Ruhm ungeschmälert, der erste wissenschaftliche Kartograph im
Morgenrot einer neuen Zeit zu sein.
Die alten Rechteckkarten gebrauchte Mercator in seinem Ptolemäus 1578,
1 Vgl. H. Wagners Abhandlung i. d. Nachr. v. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen. Hist.-phil.
Kl. 1894.
2 Nordenskiöld: Facs-A., T. XLI.
3 Nordenskiölds Facs.-Atlas enthält solche Karten auf T. XXVII, XXVIII u. XXXVI,
4 Ein gutes Exemplar befindet sich z. B. in der Nürnberger Stadtbibliothek.
5 Nordenskiöld: Facs.-A„ S. 86.