Namen und Systeme der Projektionen.
138
weiteres erklärlich. 1 In neuern Atlanten dürften auch die zwischenständigen zylin
drischen Projektionen, auf die neben andern insbesondere 0. Winkel hingewiesen
hat 1 2 , Berücksichtigung finden.
Überblicken wir die praktischen Resultate, die sich gegenwärtig allenthalben
in der Kartographie bekunden, so haben wir den besten Beweis dafür, daß nicht bloß
in der Theorie, sondern auch in der Praxis die neuzeitliche kartographische Reformation
angebrochen ist.
Die Theorie hat auch hier der Praxis den Weg gebahnt; auch hier zeigt sich's
wieder, daß die mächtigen Impulse für das fortschrittliche kartographische Schaffen
weniger aus der Praxis selbst erwachsen als vielmehr aus dem gelehrten Nachdenken
und Forschen.
II. Namen und Systeme der Projektionen.
53. Die kritische Geschichte der Theorie und Anwendung der Projektionen im all
gemeinen. Die kritische Geschichte der Theorie und Anwendung der Projektionen
ist einer der interessantesten Abschnitte in der Geschichte der Wissenschaften, dessen
vollkommene, entwickelnde und abgerundete Darstellung uns heute immer noch er
mangelt, obwohl d’Avezac schon vor einem halben Jahrhundert einen ersten Anlauf
dazu nahm und trotzdem schon Breusing den Wunsch danach Fiorini gegenüber
zum Ausdruck brachte und Fiorini uns auch einen modernen gelungenen Versuch
dargeboten hat. Stein auf Stein dazu ist genugsam zusammengekarrt, nur der Bau
herr fehlt noch. 3 Einer der ersten, der an die Kritik der Theorie und Anwendung der
Entwürfe, soweit sie bekannt waren, heranschritt, war J. J. Littrow. Von ihm hören
wir, daß man den perspektivischen Projektionen früher allzuviel Wert beigelegt habe,
was er mathematisch und mit der Anwendung verschiedener Maßstäbe auf ein und
demselben Kartenblatt begründet. 4 Heute ist die Sache nicht mehr so schwierig wie
vor zwanzig und mehr Jahren. Alsdann dürfte auch die Nomenklatur der Projektionen
noch gewinnen; denn in dieser Beziehung herrscht eine Zerfahrenheit, wie sie kaum
in einem andern Zweige der Geographie wiederkehrt. Die maßgebende Fachsprache
für die Entwürfe festzulegen wäre am Ende eine dankbarere, zum mindesten aber
eine ebenso wichtige Aufgabe eines internationalen Geographenkongresses als dio
Behandlung einer Frage nach einer Erdkarte im Maßstabe 1 : 1000000, die auch nach
ihrer Vollendung immer noch ein mehr oder weniger erfreulicher Torso bleiben wird,
wenigstens bei der jetzigen Oberleitung des Unternehmens und nach Einsichtnahme der
bis jetzt vorliegenden Blätter. Merkwürdigerweise hat auch der Deutsche Geographen
1 In der Neuauflage zu K. Zöppritz’ Leitfaden der Kartenentwurfslehre, Leipzig 1899, gibt
A. B lud au am Schluß der Behandlung der einzelnen Projektionen zahlreiche Angaben über die
Verwendung der gesamten Projektion in deutschen Hand- und Schulatlanten.
2 O. Winkel: Flächentreue, schiefachsige Zylinderprojektion mit längentreuem Grundkreis
für eine Karte von Nord-, Mittel und Südamerika. P. M. 1909, S. 329, 330, 379, 380. — Flächentreue,
zwischenständige, azimutale Projektion für eine Karte der Britiscüen Inseln. G. A. 1911, S. 30, 31.
— Beitrag zur Entwicklung schiefachsiger, speziell zylindrischer Projektionen unter Annahme der
Kugelgestalt der Erde. P. M. 1913, S. 241 ff., 304ff.
3 Wauwermans bat wohl in seiner Einleitung zum „Essai de l’hist. de l’école cartographie
anversoise au XVI e siècle“ (Bull. Soc. R. de géogr. d’Anvers, 1893) die Arbeit d’Avezacs etwas er
weitert, aber nicht dessen Irrtümer vermieden.
4 J. J. Listrow, a. a. O., S. 65, 77, 78.