Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Namen und Systeme der Projektionen. 
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weiteres erklärlich. 1 In neuern Atlanten dürften auch die zwischenständigen zylin 
drischen Projektionen, auf die neben andern insbesondere 0. Winkel hingewiesen 
hat 1 2 , Berücksichtigung finden. 
Überblicken wir die praktischen Resultate, die sich gegenwärtig allenthalben 
in der Kartographie bekunden, so haben wir den besten Beweis dafür, daß nicht bloß 
in der Theorie, sondern auch in der Praxis die neuzeitliche kartographische Reformation 
angebrochen ist. 
Die Theorie hat auch hier der Praxis den Weg gebahnt; auch hier zeigt sich's 
wieder, daß die mächtigen Impulse für das fortschrittliche kartographische Schaffen 
weniger aus der Praxis selbst erwachsen als vielmehr aus dem gelehrten Nachdenken 
und Forschen. 
II. Namen und Systeme der Projektionen. 
53. Die kritische Geschichte der Theorie und Anwendung der Projektionen im all 
gemeinen. Die kritische Geschichte der Theorie und Anwendung der Projektionen 
ist einer der interessantesten Abschnitte in der Geschichte der Wissenschaften, dessen 
vollkommene, entwickelnde und abgerundete Darstellung uns heute immer noch er 
mangelt, obwohl d’Avezac schon vor einem halben Jahrhundert einen ersten Anlauf 
dazu nahm und trotzdem schon Breusing den Wunsch danach Fiorini gegenüber 
zum Ausdruck brachte und Fiorini uns auch einen modernen gelungenen Versuch 
dargeboten hat. Stein auf Stein dazu ist genugsam zusammengekarrt, nur der Bau 
herr fehlt noch. 3 Einer der ersten, der an die Kritik der Theorie und Anwendung der 
Entwürfe, soweit sie bekannt waren, heranschritt, war J. J. Littrow. Von ihm hören 
wir, daß man den perspektivischen Projektionen früher allzuviel Wert beigelegt habe, 
was er mathematisch und mit der Anwendung verschiedener Maßstäbe auf ein und 
demselben Kartenblatt begründet. 4 Heute ist die Sache nicht mehr so schwierig wie 
vor zwanzig und mehr Jahren. Alsdann dürfte auch die Nomenklatur der Projektionen 
noch gewinnen; denn in dieser Beziehung herrscht eine Zerfahrenheit, wie sie kaum 
in einem andern Zweige der Geographie wiederkehrt. Die maßgebende Fachsprache 
für die Entwürfe festzulegen wäre am Ende eine dankbarere, zum mindesten aber 
eine ebenso wichtige Aufgabe eines internationalen Geographenkongresses als dio 
Behandlung einer Frage nach einer Erdkarte im Maßstabe 1 : 1000000, die auch nach 
ihrer Vollendung immer noch ein mehr oder weniger erfreulicher Torso bleiben wird, 
wenigstens bei der jetzigen Oberleitung des Unternehmens und nach Einsichtnahme der 
bis jetzt vorliegenden Blätter. Merkwürdigerweise hat auch der Deutsche Geographen 
1 In der Neuauflage zu K. Zöppritz’ Leitfaden der Kartenentwurfslehre, Leipzig 1899, gibt 
A. B lud au am Schluß der Behandlung der einzelnen Projektionen zahlreiche Angaben über die 
Verwendung der gesamten Projektion in deutschen Hand- und Schulatlanten. 
2 O. Winkel: Flächentreue, schiefachsige Zylinderprojektion mit längentreuem Grundkreis 
für eine Karte von Nord-, Mittel und Südamerika. P. M. 1909, S. 329, 330, 379, 380. — Flächentreue, 
zwischenständige, azimutale Projektion für eine Karte der Britiscüen Inseln. G. A. 1911, S. 30, 31. 
— Beitrag zur Entwicklung schiefachsiger, speziell zylindrischer Projektionen unter Annahme der 
Kugelgestalt der Erde. P. M. 1913, S. 241 ff., 304ff. 
3 Wauwermans bat wohl in seiner Einleitung zum „Essai de l’hist. de l’école cartographie 
anversoise au XVI e siècle“ (Bull. Soc. R. de géogr. d’Anvers, 1893) die Arbeit d’Avezacs etwas er 
weitert, aber nicht dessen Irrtümer vermieden. 
4 J. J. Listrow, a. a. O., S. 65, 77, 78.
	        
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