134
Das Kartennetz.
tag die Sache noch nicht angeschnitten. Ganz zu verwundern ist es nicht; denn die
Namengebung ist eine heikle Sache. Das historisch persönliche und das mathematische
Prinzip stehen sich gegenüber; d. h. ist es wichtiger, die Projektionen nach ihren Ur
hebern oder nach der mathematischen Formel und einer kurzen sachlichen Eigen
tümlichkeit zu benennen? Zu letzterer Ansicht neigt, wie zu erwarten, mehr Tissot
und, auf ihn gestützt, Hammer, wenn sie auch selbst das für recht erkannte Prinzip
bei der Benennung in ihren Darlegungen vielfach durchbrochen haben. Dadurch
zeigen sie eben, wie schwierig es ist, ein Prinzip konsequent durchzuführen. Für den
Geographen gibt ein von historischem Gesichtspunkte aus geleiteter Kompromiß
beider Prinzipien eine befriedigende Lösung.
54. Benennung älterer Projektion nach ihrem Urheber. Becht und billig ist es,
wie Breusing sagt, jeder Projektion den Namen ihres Urhebers beizulegen. 1 Gewiß
ist dies ein annehmbarer Standpunkt, nur darf er nicht einseitig, wie von Breusing,
vertreten werden. Hammer hält darum entgegen, daß bei ältern Projektionen immer
wieder eine Namengebung vorgenommen werden müßte, sobald man einen ältern
Urheber als bis dato bekannt, ans Tageslicht zieht. Einige Projektionen teilen sogar
das Schicksal, einigemal erfunden zu sein, wie die Mercator-Sansonsche, die ihre
letzte Erfindung sogar im 19. Jahrhundert feiern konnte. 1 2 Wenn wir die Bedeutung
1 Breusing: Das Verebnen der Kugeloberfläche. Leipzig 189?, S. 63 , 64.
2 So von Mohr als neue isographische Projektion präsentiert. Vgl. P. M. 1865, S. 114, 115.
— Irrtümlicherweise wird auch J. Franke genannt, der die Sansonsche Projektion wieder erfunden
habe, vgl. P. M. 1861, S. 406. E. Debes schreibt mir hierüber: „Bei Franke handelt es sich nämlich
um eine zuerst von Apianus, dann von Fr. Arago in seiner Astronomie populaire angewandten
Entwurfsart, die einfach mit Zirkel und Lineal hergestellt werden kann. Wie Hermann Berghaus,
von dem die Besprechung (in P. M. 1861) wahrscheinlich herrührt, als Kartograph sie für die Sanson
sche Entwurfsart hat halten können, ist mir übrigens nicht recht begreiflich, da diese, auf die Hemi
sphäre ausgedehnt, ja gar keinen Kreis ergibt. — Der Apian-Arago sehe Entwurf ist wohl nicht
häufig zur Anwendung gelangt, da mir außer der Frankeschen Wandkarte nur noch ein Fall bekannt
ist, zu dem ich selbst die Veranlassung gegeben habe. Als es sich 1861 oder 1862 darum handelte,
die Karte von Polynesien und dem Großen Ozean in 2 Bl. für Stielers Handatlas, die jetzt nicht
mehr gedruckt -wird, zu zeichnen, sollte nach Petermanns Wunsch ursprünglich die Sansonsche
Projektion dafür angewandt werden, um geradlinige Parallelen und gleichwertige Parallel- und
Meridiänabschnitte zu erhalten. Weil dieser Entwurf aber bei der großen räumlichen Ausdehnung
der beiden Blätter allzugroße figürliche Verzerrungen in diagonaler Richtung hin ergab, mußte
davon Abstand genommen werden. Da mir es nunmehr Petermann überließ, einen Ausweg zu
finden, ihm aber vor allem daran lag, äquidistante Breiten- und Längengrade zu erhalten, um
das Abgreifen von geogr. Positionen möglichst bequem zu machen, kam ich auf den Ausweg,
Äquator und Mittelmeridian in gleichgroße Abschnitte zu teilen, mit dem Radius von 90° von der
Mitte aus einen Kreis zu schlagen und die geraden Parallelen in entsprechend gleiche Teile zu teilen.
Petermann hat die Projektion in seinen Begleitworten zur Karte (P. M. 1868, S. 374) als eine „modi
fizierte Flamsteedsche“ bezeichnet, was keinen Sinn hat; sie scheint jedoch immer für die Sanson
sche gehalten worden zu sein, vielleicht auch von Hammer, wenn ich die Fußnote auf S. 80 seiner
„Kartenprojektionen“ richtig deute. Erst viel später — mehr als 30 Jahre danach — habe ich ent
deckt, daß der Entwurf von Arago herrührt, sonst würde ich wohl heute noch in der Annahme
leben, damals etwas Originelles gefunden zu haben, wie es dem guten Franke auch gegangen ist.“
— Dem möchte ich hinzufügen, daß sich die beiden sauber bei F. A. Brockhaus gestochenen Plani-
globen von Arago vorfinden im XIII. Bd., Leipzig 1856, von Franz Aragos sämtl. Werken. Mit
einer Einleitung von A. v. Humboldt. Deutsche Originalausgabe von W. G. Hankel. S. 260ff.
spricht Arago auch über geographische Karten und weist bei den bewußten Erdhalbkarten, die Barral
auf seine Veranlassung entworfen hat, darauf hin, daß sie nach astronomischen Gesichtspunkten dar
gestellt seien.