Namen und Systeme der Projektionen.
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der Projektionen berücksichtigen, kommt der Einwurf Hammers von selbst in
Wegfall. Das steht wohl fest, daß wir heute alle bedeutenden Projektionen des Alter
tums, des Mittelalters und des Anfangs der neuen Zeit kennen; wird etwas Neues in
dieser Richtung noch entdeckt, so kann es sich höchstens um eine kleine Modifikation
schon gebrauchter Projektionen handeln oder um eine so geringe Bedeutung der be
treffenden Projektion für ihre Zeit und Folgezeit, daß uns bezüglich der alten und
guten Projektionen beachtenswerte Namensänderungen nicht mehr bevorstehen.
Tobias Mayer d. J. war der erste, der in seinem „gründlichen und ausführlichen
Unterricht zur praktischen Geometrie“ (Erlangen 1794) den Vorschlag machte, den
Gradnetzentwurf nach dem Kartographen zu nennen, der ihn am weit
gehendsten angewendet habe. Auch das ist ein Standpunkt, der sich hören läßt,
denn die ausgiebige Anwendung ist immer von Einfluß auf den weitern Gebrauch,
auch von anderer Seite. Den Gedanken von Tob. Mayer ergriff d’Avezac und sprach
nun von Projektionen „appelées de Sanson, de l’Isle, de Bonne etc.“ Desgleichen
steht H. Wagner diesem Verfahren der Namengebung nicht unsympathisch gegen
über und möchte darum nur von „Sansonscher“ Projektion reden. 1 Zuletzt kann
auch dieser Standpunkt als einseitig aufgefaßt werden. Am besten hilft hier ein Doppel
name, insofern der Name des Urhebers mit dem, der die betreffende Projektion vor
zugsweise anwandte oder wissenschaftlich vertiefte, verknüpft wird. So kennen wir
die Lambert-Gauß sehe winkeltreue Projektion. 1 2 Daß die Bezeichnung Cassini-
Soldnersche Projektion nicht richtig ist, werden wir später noch untersuchen. Der
Doppelname ist nicht erst neuern Datums. Seit längerer Zeit spricht man von der
„Stab-Werner sehen“ Projektion. Gegen die Bezeichnung „Wernersche“ Projek
tion wendet sich entrüstet Breusing, weil Stab der Vater des Gedankens zu
dieser Projektion ist. Und doch wäre es ungerecht, Werner bei der Bezeichnung
auszuschalten, hat er doch durch seine Projektionsfiguren auf Grundlage der Stab-
schen Anregungen den Gedanken von Stab erst fruchtbar gemacht, so daß ihm die
Ehre des frühesten selbständigen Kartographen der Neuzeit zuteil geworden ist. 3
Nicht richtig ist es, wie es heutigestags zumeist noch geschieht, von einer „Sanson-
Flamsteedschen“ Projektion zu reden 4 oder von einem sogenannten „Sanson-
oder Flamsteed-Entwurf“ 5 , wo es „Mercator-Sansonsche“ Projektion heißen muß 6 ;
über die Anwendung der Projektion auf verschiedenen Mercatorsehen Karten
s. S. 125. Flamsteeds Name ist bei der Betrachtung geographischer Karten über
haupt ganz auszuschließen. J. Flamsteed hat die Karten seines Atlas coelestris
1729 in der Mercator-Sansonschen Projektion entworfen. Den Astronomen des
1 H. Wagner, a. a. O., S. 220.
2 In Debes’ Handatlas sind Europa, N-,W-, S- und O.-Asien, Atlasländer, Australien, Ver
einigte Staaten von Amerika und mittleres Südamerika in der Lambert-Caußschen winkeltreuen
Kegelprojektion entworfen, Rußland und die Nilländer in der Lambert-Gauß sehen winkeltreuen
Zy linderpro j ek tion.
3 Vgl. S. Günther im Geogr. Jahrb. 1882, S. 114. Auch Tissot-Hammer (S. 90) stimmt
dem bei.
4 Vgl. R. Bourgeois u. Ph. Furtwängler im 6. Bd. S. 278 der Enzyklopädie der mathe
matischen Wissenschaften. 1909.
5 E. Hammer: Über die geographisch wichtigsten Projektionen. Stuttgart 1889, S. 77.
8 O. Krümmel u. M. Eckert: Geographisches Praktikum. Leipzig 1908, S 21. — Furt
wängler hat die richtige Bezeichnung wenigstens in der Anmerkung übernommen, a. a. O., S. 278,
Anm. 65; und Bludau in Zöppritz-Bludau, a. a. 0., 3. Aufl. I. 1912, S. 169ff.