Namen und Systeme der Projektionen.
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In Mercators Ausgabe des Ptolomäus befindet sich die bewußte Karte, die einen
Maßstab von rund 1:46600000 zeigt. Sie will die den Alten bekannte Welt ver
anschaulichen. Das Netz der Karte siebt J. Müller-Reinhard als die Bonnesche
Projektion an, „falls er (Mercator) den Entwurf bewußt auf den Mittelparallel
bezogen hat“. Der mittelste Breitenparallel der Karte ist der ‘20. Grad. Der Mittel
punkt sämtlicher Parallelkreise hegt 174,5° vom Äquator entfernt, d. h. 84,5° über
den Nordpol hinaus auf dem verlängerten Mittelmeridian. Ein Meridiangrad selbst
mißt 2,425 mm, zehn Meridiangrade 24,25 mm.
Wie wir wissen, faßte Mercator bei der Anlage eines Kartenwerkes alles
Wichtigere ins Auge, wie Maßstab, Format des Kartenblattes, Karteninhalt. Seine
Stärke lag darin, all die kleinen Kartennetze und Kartenskizzen seiner Zeit, soweit
sie sich als brauchbar erwiesen, ins große umzusetzen. Außer der mathematischen
Durchdringung des Stoffes kam es ihm auf eine gute Konstruktion an. Zu seiner
verbesserten (zweiten) Ptolemäusprojektion scheint er auf rein konstruktivem Wege
gekommen zu sein.
Im folgenden glaube ich die Lösung zum Kegelnetzproblem bei Mercator ge
funden zu haben. Die Karte erstreckt sich von 20° S bis 60° N, letzterer wird in der
Mitte etwas überschritten. Festhalten wollen wir zunächst, daß bei der trapezförmigen
Ptolemäuskarte oberster und unterster Parallel abweitungstreu unterteilt ist. Gemäß
der Stab-Wernerschen Projektion werden bei Mercator um den Nordpol Kreise
gelegt, jedoch nur zwei, die durch den 20° S und durch den 50° N laufen. Ein Kreis
durch 60° N ist nicht mehr bestimmend für das Meridian- und Gesamtkartenbild.
Die beiden Grenzparallelen 20° und 50° (der Hilfskonstruktion) werden wie bei der
trapezförmigen Karte abweitungstreu unterteilt und die entsprechenden Punkte
durch gerade Meridiane verbunden, die sich auf der Mittelmeridianverlängerung bei
etwa 174,5° schneiden. 1 Um nun dem ptolemäischen Vorbild näher zu kommen als
es durch die Stab-Wernersche Projektion geschieht, hat Mercator den Mittelpunkt
der Parallelen in den Schnittpunkt 174,5° verlegt und von da aus die Parallelkreis
bögen gezogen, die alsdann abweitungstreu unterteilt wurden. Das war eine ebenso ein
fache wie praktische Lösung des Problems, das er sich gestellt hatte. Nimmermehr ist
dabei an ein Kegelnetz zu denken; denn man kann weder die Beziehung zum Erdradius
noch die zwischen abweitungstreuem Berührungsparallel und Kegelspitze nachweisen.
Diese Art Konstruktion hat Mercator scheinbar nie wiederholt. Aber das
Prinzip der Konstruktion, das er geschaffen, kehrt wieder in den oben genannten
Karten des Atlas minor, ganz gleich ob die Karten von Mercator selbst oder seinen
Nachfolgern entworfen sind. Man änderte das Prinzip insofern etwas ab, als man
die beiden abweitungstreuen Parallelen mehr nach dem Norden der Karte verschob,
was zur Folge hatte, daß die Meridiane der Hilfskonstruktion sich nicht allzuweit
vom Pol entfernen und sich in der Meridian Verlängerung bei etwa 98° schneiden. 1 2
Dieser Punkt wird nun Kreisnetzmittelpunkt und die um ihn geschlagenen Kreisbögen
weiter in der Stab-Wernerschen Manier behandelt.
1 Selbstverständlich ist, daß sich je nach der Wahl der beiden abweitungstreuen Parallelen
der Meridianschnittpunkt stets ändern, dem Nordpol zu- oder von ilun abrücken wird, je nachdem
die beiden Parallelen voneinander entfernt oder mehr nach dem Nordpol zu verschoben sind.
2 Früher hatte ich den Schnittpunkt bei 100° angenommen. Die Kleinheit der Karten und
die Papierverzerrung lassen diese Annahme entschuldigen. Erst auf konstruktivem Wege kommt
man zu einem bessern Ergebnis,