Namen und Systeme der Projektionen.
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die angewendeten Bezeichnungen eindeutig sind; hier ziehe ich gern mit H. Haack
an einem Seil. 1 Wie glücklich gewählt ist z. B. Hammers Bezeichnung „gegen
azimutale Projektion“ für die von J. L. Craig (Egyptian Survey Departement. Map-
Projections, Cairo 1909) angewandte Projektion. 1 2 Craig selbst bezeichnet sie als
„Mecca retroazimutal projection“; sie besteht darin, daß die Meridiane gleich
abständige parallele Gerade und die Parallele krummlinig sind. C. Schoy hat sich
eingehender mit den gegenazimutalen Karten beschäftigt. 3
Ein Best von Projektionen verbleibt, dem jegliche persönliche Bezeichnung
fehlt. Teils sind dies uralte Projektionen, wie die stereographischen, orthographischen
und gnomonischen, teils auch neuere, wie verschiedene Zylinder-, Kegel- und azi
mutale Projektionen. Die Bezeichnungen stereographische, gnomonische, ortho
graphische usw. sind sämtlich mehr oder minder anfechtbar, doch hat man sich im
Laufe der Zeit so daran gewöhnt und sie sind so „konventionell“ geworden, daß sehr
wohl das Bichtige darunter verstanden werden kann. Die stereographische Projektion
war im Altertum unter dem Namen „Planisphaerium“ bekannt, und erst der belgische
Mathematiker Aguillon oder Aguilonius (1566—1617) hatte sie 1618 „stereo
graphisch“ genannt. Die stereographischen Netze fallen heute unter die Gruppe der
„winkeltreuen“ Netze. J. H. Lambert ist gegen den Ausdruck „stereographisch“,
den er als eine Verlegenheitsbildung auffaßt. 4 Auch hebt er hervor, daß die stereo
graphische Projektion von J. M. Hase als „horizontale stereographische Projektion“
eingeführt worden ist, und zwar für den Fall, „wo das Auge in den Nadir des Mittel
punkts des zu entwerfenden Landes gesetzt wird“. In neuerer Zeit haben sich
E. Hammer und K. Peucker gegen die Bezeichnung „stereographisch“ aufgelehnt.
Ersterer spricht von „winkeltreuer azimutaler Projektion“ 5 , letzterer von „Nadir
projektion“. 6 Diese Bezeichnung scheint wenig Aussicht auf Einbürgerung zu haben.
Hammers Vorschlag spiegelt sich auch in meiner Einteilung und Behandlung der
Projektionen wieder. 7
Die Bezeichnung „orthographisch“ führt uns wohl ins Altertum zurück (Vitruv),
doch ist sie erst von Aguillon gleichfalls 1618 in dem Sinne für die Kartenprojektion
angewandt worden, wie wir sie heute noch verstehen. Für orthographische (ortho
gonal) sagt man am besten Parallelprojektion. Ausdrücke, wie „homalographisch“
(s. S. 137), verlieren sich gottlob. 8
Noch eine Gruppe von Projektionen bleibt zu erwähnen übrig, bei denen die
Nomenklatur falsch ist, d. h. die einzelnen Bezeichnungen gar nicht zum Wesen des
1 H. Haack in G. J. XXIX, 1906/07, S. 354.
2 E. Hammer: Gegenazimutale Projektionen. P. M. 1910. I. S. 153—155.
3 C. Schoy: Azimutale und gegenazimutale Karten in gleichabständigen parallelen Meridianen.
Ann d. Hydr. u. Maritimen Meteorologie. 1913, S. 33—42. — Die gegenazimutale mittabstandstreue
Karte in konstruktiver und theoretischer Behandlung. Ebenda, S. 466—473. — Die Mekka- oder
Qiblakarte. Gegenazimutale mittabstandstreue Projektion mit Mekka als Kartenmitte. Kartogr.
Z. VI. Wien 1917, S. 181-185. Mit Karte.
4 J. H. Lambert: Anmerkungen und Zusätze zur Entwertung von Land- und Himmels
charten 1772. Hg. v. A. Wangerin in Ostwalds Klassiker der exakt. Wiss. Nr. 54. Leipzig 1894, S. 5.
° E. Hammer: Über die geogr. wichtigsten Kartenprojektionen usw. Stuttgart 1889, S. 19.
6 K. Peucker: Physiographik. S.-A. aus Mitt. d. geogr. Ges. Wien 1907, S. 714.
7 O. Krümmel-Eckert, a. a. O., S. 12.
3 In der neuen' von Otto Graf besorgten Ausgabe von M. Grolls Kartenkunde (2 Bdchen.,
Berlin u. Leipzig 1921) ist nun endlich die noch in der Auflage von 1912 vorhandene Bezeichnung
„homalographischen Projektion nach Mo 11 weide und Babinet“ verschwunden.