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Das Karteiinetz.
besonders durch die Bemühungen Hammers, die treffendere Bezeichnung „ver
mittelnd“ eingeführt. Vor allem jedoch dürfte der von den Seeleuten gebrauchte
und von Breusing empfohlene Ausdruck „Abweitung“, worunter der im Linearmaß
gemessene Bogen eines Breitenparallels zu verstehen ist, bald auch in den Sprach
schatz des „binnenländischen“ Geographen und Kartographen eingedrungen sein
und so Allgemeingut im geographischen Sprachschatz werden. 1 Außerdem muß man
mit dem Gebrauch des Ausdrucks „längentreu“ (vorzugsweise von Geodäten benutzt)
Bescheid wissen, wenn auch die Bezeichnung „Länge“ in einem andern Sinn als geo
graphischer Terminus technicus gebraucht wird und daher auf geographischer Seite
leicht Mißverständnisse durch jenen veranlaßt werden können. Der Ausdruck „maß
treu“ dafür, wie ihn E. Debes vorschlägt, scheint mir nicht ungeeignet zu sein.
58. System der Projektionen von mathematischem Standpunkt aus. Bis jetzt
haben wir uns auf einem Boden bewegt, auf dem der Geograph und Mathematiker
einträchtig miteinander wandeln können, bei der Systematisierung der Pro
jektionen scheint dies weniger der Fall zu sein. Wohlweislich werden sich beide
in diesem Punkt nicht befehden; jeder wird tunlichst seine eigenen Ziele befolgen,
wenn der Mathematiker dem Geographen im einzelnen auch dann und wann den
richtigen Weg zeigt. Mathematisch lassen sich von den verschiedensten Gesichts
punkten aus Systeme aufstellen, aber jedes wird mehr oder weniger anfechtbar sein,
da man sich auch hier zu Konzessionen bequemen muß. Wie der Mathematiker das
Gerüst für ein System der Projektionen auf baut, zeigen beispielsweise R. Bourgeois
und Pli. Furtwängler. 1 2
Mit der Schwierigkeit des mathematischen Aufbaues eines Systems hatten die
alten Projektionstheoretiker fast ständig zu kämpfen. Darum stellen sie die ver
schiedenen Projektionsgruppen oft wahllos nebeneinander oder schaffen nur ganz
allgemein gehaltene Oberabteilungen, in die alles Mögliche hineingepfropft wird, wie
wir es bei J. J. Littrow sehen, der die vielen Projektionen, die er in seiner Choro-
graphie von 1833 behandelt, unter die drei Hauptabteilungen perspektivische Pro
jektionen, Projektionen zu besondern Zwecken und allgemeine Projektionen bringt.
Selbst A. Tissot ist nicht streng systematisch vorgegangen, er behandelt die ver
schiedenen Projektionsgruppen gleichfalls zwanglos nebeneinander, ohne vom Leichtern
zum Schwerem fortzuschreiten, oder von einer andern Idee als der, nur die Ver
zerrungen bei allen geographisch möglichen Projektionen festzustellen, beseelt zu
sein. Hammers „geographisch wichtigsten Projektionen“ sind schon weit syste
matischer aufgebaut. Aber auch sie beweisen, daß es schwer oder kaum möglich
ist, die Projektionen in ein allseitig befriedigendes System hineinzuzwängen. Schon
die sogenannten „konventionellen“ Entwürfe verhalten sich widerspenstig. Von
1 In O. Schlömilchs Handbuch der Mathematik, das R. Henke und R. Heyer neu heraus
gegeben haben, hat letzterer den Abschnitt „Kartenentwürfe“ bearbeitet, wobei er die Breusing-
schen Bezeichnungen weitgehendst anwendet. Auch ich habe sie teilweise in dem „Geogr. Praktikum“
übernommen. Im Handatlas von Debes sind sie durchgeführt. Statt Heyer, wie es in G. J. XXIX,
1906/07, S. 342 richtig heißt, wird auf S. 354 Heger geschrieben. J. Frischauf, S. 341, heißt auf
S. 352 J. Frühauf. Wie kaum anders zu erwarten, treten infolgedessen im allgemeinen Personal
register des Bandes vier anstatt zwei Autoren auf. Dies sei nur nebenher erwähnt, um zu zeigen,
wie leicht bei der kartographischen Literatur Fehler übersehen werden, und den Argusaugen Haacks
entgeht gewiß selten ein Versehen!
2 R. Bourgeois und Ph. Furtwängler: Kartographie, a. a. O., S. 245ff.