Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Das Kartennetz. 
die Flächentreue legt, sondern lediglich die figürliche Ähnlichkeit zwischen Natur- 
und Kartenbild im Auge hat. Mit dieser Ansicht von E. Debes werden wir uns noch 
eingehender zu beschäftigen haben. 
Auf besondere Fälle allein verweist der Gebrauch der winkeltreuen Netze, die 
wohl vom mathematischen Standpunkt, nicht aber vom geographischen aus die inter 
essantesten Projektionen liefern, fernerhin der Gebrauch von mittabstandstreuen 
oder speichentreuen und vermittelnden Entwürfen. Winkeltreue (Konformität) und 
Flächentreue (Äquivalenz) stehen, wie Hammer sagt, einander innerhalb einer Gruppe 
von Abbildungen diametral gegenüber, oder mit andern Worten: beide Eigenschaften 
stehen in unversöhnlichem Kampf miteinander, die eine Eigenschaft schließt die 
andere aus. Nur auf Plankarten ganz großen Maßstabes, die als vollkommenste Ab 
bilder der Erde gelten können, sind Flächentreue und Winkeltreue vereinbar; aber 
mit solchen Karten haben wir es augenblicklich hier, wo wir Hand- und Atlaskarten 
der Kritik unterziehen, nicht zu tun. 
In gegebenen Fällen läßt sich Flächentreue wohl mit einer gewissen Abart 
von Mittabstandstreue vereinen; die Azimutalität ist alsdann ausgeschlossen, 
und der Projektionsmittelpunkt ist nicht mehr Kartenbildmittelpunkt. Ein erstes 
derartig komponiertes Netz, wenn auch dessen Flächentreue seinem Erfinder noch 
nicht bewußt war, ist der zweite der Entwürfe, den Werner 1514 in der Übersetzung 
und Erklärung des ersten Buches des Ptolennius vorgeschlagen hat, von Stabius aber 
herrührt und als Stab-Werner sehe Projektion (Herzprojektion) bekannt ist. Auf 
Grundlage dieses Netzentwurfes sind noch weitere Abänderungen, wie Projektionen 
in Blätterform 1 , möglich. 
62. Die Flächentreue und ihre geographische Bedeutung. Neben den Entdeckungs 
reisen waren es vorzugsweise die erwachenden staatlichen Aufnahmen und die Aus 
bildung des staatlichen Bewußtseins vom Werte des Bodens, die zur Wertschätzung 
der genauen Flächen hinführten und des weitern zur Berücksichtigung der flächen 
treuen Entwürfe. Noch mehr aber drängt die neue wirtschaftsgeographische Rich 
tung der modernen Erdkunde auf flächentreue Entwürfe hin (s. § 71). 
Die Flächentreue ist, wie wir aus der Stab-Wernerschen kordialen Projektion 
sehen, für Atlaskarten schon eine alte Errungenschaft. Hauptsächlich wurde sie 
jedoch durch die Mercator-Sansonsche und die Bonnesche Projektion gepflegt. 
Nun darf man bei den ältern flächentreuen Projektionen nicht übersehen, daß sie 
nicht mit der Absicht, ein flächentreues Bild zu geben, erfunden worden sind. Die 
Flächentreue ist später erst nachgewiesen worden, insbesondere in projektionskritischen 
Arbeiten, wie sie in v. Zachs Monatlicher Correspondenz enthalten sind. So 
gebührt die Entdeckung der Flächentreue bei der Bonneschen Projektion H. C. 
AIbers 1 2 ; sie wurde zum ersten Male wissenschaftlich ausführlicher durch C. B. Moll 
weide behandelt. 3 Der Anstoß zur Bevorzugung der flächentreuen Entwürfe geht 
1 Vgl. W. Schjerning: Über mittabstandstreue Karten. In den Abhandlungen der Geogr. 
Ges. zu Wien. V. Bd. 1904, S. 29 ff. Taf. III — (Taf. I und II bringen andere Kombinationen 
auf oben angegebener Grundlage.) 
2 H. C. Albers: Über Murdochs drey Kegelprojectionen. v. Zachs Monatl. Corresp. XI. 
1805, S. 111. 
3 C. B. Mollweide: Beweis, daß die Bonnesche Entwurfsart die Länder ihrem Flächeninhalte 
auf der Kugeloberfläche gemäß darstellt, v. Zachs Monatl, Corresp. XIII. 1806, S. 144 — 152.
	        
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