Allgemeinere geographische Anforderungen an die Kartennetze.
157
kartographischen Privatinstitut, wie das von Wagner & Debes, nicht ohne ge
schäftliche Nachteile oder — besser gesagt — ohne Preisgabe erheblicher Vorteile
übersehen oder vernachlässigt werden. Debes schreibt mir hierüber: „In jedem
Kartenverlag, selbst in staatlichen Instituten, macht sich häufig das Bedürfnis geltend,
selbständige Karten zu Sonderzwecken aus Teilen oder Ausschnitten von Atlasblättern,
einerlei, ob aus einem einzigen oder mehreren benachbarten, durch Überdruck her
zustellen. Dergleichen Zusammenstellungen haben wir aus dem Kartenfonds unsers
Verlags, namentlich des Handatlas schon in großer Zahl gemacht, und es war die
nur möglich, weil die von mir gewählten Entwurfsarten diesen Weg — natürlich
nicht immer, aber doch in zahlreichen Fällen — gangbar machten. Jeder Versuch
derart mit flächentreuen Blättern würde, namentlich, wo azimutale Entwürfe in
Betracht kommen, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, da die Schiefschnittig-
keit der Netzmaschen benachbarter Blätter im entgegengesetzten Sinne verläuft.
Vergleichen Sie beispielsweise einmal in Andrees Atlas die beiden Blätter 163/166
von Nordafrika! Wäre dabei an eine solche Zusammensetzung zu denken? Freilich
hat hier Bludau auch den doppelten Mißgriff begangen, erstens, daß er, trotzdem
die Blätter nicht quadratisch sind, sondern ihre Längsdimensionen in ostwestlicher
Richtung verlaufen, azimutale Entwürfe angewandt hat, wo doch unbedingt konische
besser gewesen wären, und zweitens, daß er diese außerdem auch noch flächentreu
gemacht hat. Sie wären ohne weiteres zusammensetzbar, wenn er konische Entwürfe
gewählt hätte. Denselben Bock hat er übrigens bei der Vierblattkarte der Vereinigten
Staaten in demselben Atlas geschossen, bei der doch zweifellos eine Kegelprojektion
am Platze gewesen wäre. — Im Gegensatz dazu lassen sich Karten in winkeltreuen
Entwurfsarten der Rechtschnittigkeit ihrer Gradnetze wegen sehr häufig zu solchen
Zwecken ausnützen. Würde bei Flächentreue der hierbei in Betracht kommenden
Netze auch nur entfernt daran gedacht werden können, etwas derartiges zustande
zu bringen? Und dabei handelt es sich in zwei Fällen noch dazu um Entwürfe ganz
verschiedener Ableitung! Konisch und äquatorständig die eine Zusammenstellung,
konisch und schiefachsig zylindrisch die andere!“
64. Kartennetze auf Grund mathematischer und geographischer Überlegung.
So gut wie die Geschichte wichtige Hilfsmittel zur ursächlichen Erforschung des
Werdeganges den geographischen Disziplinen darreicht und der Geograph dennoch
kein „Historiker“ ist, so gut wie die Geologie unschätzbare Materialien zum Verständnis
des orographischen Erdbildes und des terrestrischen Geschehens gibt und die Geo
graphen dennoch keine „Geologen“ sind, so befruchtet die Mathematik außerordent
lich heilsam den geographischen Boden, ohne daß der Geograph zum „Mathematiker“
werden muß. Nur zu leicht beleuchten Vertreter der genannten nachbarlichen Wissen
schaften die Geographie von diogeneshaftem Standpunkte aus und möchten den
Geographen ganz unter diesen einseitigen »Standpunkt zwingen. Dem muß jeder
denkende geographische Kopf entgegentreten. Es wird nachgerade Zeit, dies den
heutigen Kartentheoretikern und auch Kartenpraktikern entgegenzuhalten. Ver
hallt scheinen die Worte des altehrwürdigen und so außerordentlich praktischen
Breusing zu sein: „Nicht die zierlich mathematische Formel, sondern der gesunde
Menschenverstand sollte in diesen Dingen maßgebend sein“ 1 ; übertragen wir dies
1 A. Breusing: Das Verebnen, a. a. O., S. 57.