Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Allgemeinere geographische Anforderungen an die Kartennetze. 
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kartographischen Privatinstitut, wie das von Wagner & Debes, nicht ohne ge 
schäftliche Nachteile oder — besser gesagt — ohne Preisgabe erheblicher Vorteile 
übersehen oder vernachlässigt werden. Debes schreibt mir hierüber: „In jedem 
Kartenverlag, selbst in staatlichen Instituten, macht sich häufig das Bedürfnis geltend, 
selbständige Karten zu Sonderzwecken aus Teilen oder Ausschnitten von Atlasblättern, 
einerlei, ob aus einem einzigen oder mehreren benachbarten, durch Überdruck her 
zustellen. Dergleichen Zusammenstellungen haben wir aus dem Kartenfonds unsers 
Verlags, namentlich des Handatlas schon in großer Zahl gemacht, und es war die 
nur möglich, weil die von mir gewählten Entwurfsarten diesen Weg — natürlich 
nicht immer, aber doch in zahlreichen Fällen — gangbar machten. Jeder Versuch 
derart mit flächentreuen Blättern würde, namentlich, wo azimutale Entwürfe in 
Betracht kommen, auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, da die Schiefschnittig- 
keit der Netzmaschen benachbarter Blätter im entgegengesetzten Sinne verläuft. 
Vergleichen Sie beispielsweise einmal in Andrees Atlas die beiden Blätter 163/166 
von Nordafrika! Wäre dabei an eine solche Zusammensetzung zu denken? Freilich 
hat hier Bludau auch den doppelten Mißgriff begangen, erstens, daß er, trotzdem 
die Blätter nicht quadratisch sind, sondern ihre Längsdimensionen in ostwestlicher 
Richtung verlaufen, azimutale Entwürfe angewandt hat, wo doch unbedingt konische 
besser gewesen wären, und zweitens, daß er diese außerdem auch noch flächentreu 
gemacht hat. Sie wären ohne weiteres zusammensetzbar, wenn er konische Entwürfe 
gewählt hätte. Denselben Bock hat er übrigens bei der Vierblattkarte der Vereinigten 
Staaten in demselben Atlas geschossen, bei der doch zweifellos eine Kegelprojektion 
am Platze gewesen wäre. — Im Gegensatz dazu lassen sich Karten in winkeltreuen 
Entwurfsarten der Rechtschnittigkeit ihrer Gradnetze wegen sehr häufig zu solchen 
Zwecken ausnützen. Würde bei Flächentreue der hierbei in Betracht kommenden 
Netze auch nur entfernt daran gedacht werden können, etwas derartiges zustande 
zu bringen? Und dabei handelt es sich in zwei Fällen noch dazu um Entwürfe ganz 
verschiedener Ableitung! Konisch und äquatorständig die eine Zusammenstellung, 
konisch und schiefachsig zylindrisch die andere!“ 
64. Kartennetze auf Grund mathematischer und geographischer Überlegung. 
So gut wie die Geschichte wichtige Hilfsmittel zur ursächlichen Erforschung des 
Werdeganges den geographischen Disziplinen darreicht und der Geograph dennoch 
kein „Historiker“ ist, so gut wie die Geologie unschätzbare Materialien zum Verständnis 
des orographischen Erdbildes und des terrestrischen Geschehens gibt und die Geo 
graphen dennoch keine „Geologen“ sind, so befruchtet die Mathematik außerordent 
lich heilsam den geographischen Boden, ohne daß der Geograph zum „Mathematiker“ 
werden muß. Nur zu leicht beleuchten Vertreter der genannten nachbarlichen Wissen 
schaften die Geographie von diogeneshaftem Standpunkte aus und möchten den 
Geographen ganz unter diesen einseitigen »Standpunkt zwingen. Dem muß jeder 
denkende geographische Kopf entgegentreten. Es wird nachgerade Zeit, dies den 
heutigen Kartentheoretikern und auch Kartenpraktikern entgegenzuhalten. Ver 
hallt scheinen die Worte des altehrwürdigen und so außerordentlich praktischen 
Breusing zu sein: „Nicht die zierlich mathematische Formel, sondern der gesunde 
Menschenverstand sollte in diesen Dingen maßgebend sein“ 1 ; übertragen wir dies 
1 A. Breusing: Das Verebnen, a. a. O., S. 57.
	        
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