Allgemeinere geographische Anforderungen au die Kartennetze.
163
Gesamtübersichten von außerordentlichem Vorteil, das Auge überschaut mit einem
Blicke in einer geraden Bichtung das ganze Bild. 1 Vor allem wird bei Mollweide
und mir die Lage der polaren Verbreitung von Pflanzen und Tieren, von Ländern
und Orten usw. in bezug auf den Äquator besser als auf Erdkarten mit krummlinigen
Parallelen, wie bei Hammer, gewahrt. Was wirklich im Osten oder Westen eines
Ortes oder Objektes auf gleicher Höhe liegt, das bleibt auch in gleicher Entfernung
vom Äquator. Nach dieser Bichtung ist sogar die Mercator-Sansonsche Projektion
mit Vorteil zu benutzen, wenn nur ihre nordwestlichen und nordöstlichen, südwest
lichen und südöstlichen Felder nicht gar so zusammengedrückt wären. Dieser Nach-
tiel kann auch durch die gleichweit voneinander entfernten Parallelen und den in
richtigen Abweitungen gezogenen Meridianen nicht ausgeglichen werden, weshalb
man im Hinblick auf ein allseitiges klareres Erdbild immer wieder zu Mollweide
oder zu meinen Projektionen oder einem andern Entwurf seine Zuflucht nehmen wird.
In den ausgestreckten Parallelkreisen liegt ein großes didaktisches Moment.
Wie viele falsche Vorstellungen beruhen auf der Krümmung der Breitenkreise! Das
hatte gleichfalls schon Breusing 1 2 erkannt, und vor ihm bereits Hermann Berg
haus. 3 Auch H. Wagner weiß den Vorteil geradliniger Parallelen zu würdigen.
Für die Erkenntnis der Lage und Verbreitung der physischen, bio- und wirt
schaftsgeographischen Erscheinungen ist die Breitenlage wichtiger als die Längen
lage; mit andern Worten: die nordsüdlichen Lagen sind für das Leben der Erde
einschneidender als die ostwestlichen. In der nordsüdlichen Lage und ihrer jährlichen
Variation, durch die Stellung der Erde zur Sonne bedingt, liegen die Zonen und
Jahreszeiten, die das Leben unsers Erdballes regeln, begründet. Dagegen haben die
Längengrade den Breitengraden gegenüber den Wert als Zeitmesser voraus; es haben
eben aus bekannten astrophysischen Gesetzen alle Orte auf gleichem Meridian alle
Tageszeiten gemeinsam, und ihr gegenseitiger Vergleich erweckt den Begriff des Zeit
unterschiedes und zuletzt den der Entfernung in ostwestlicher Bichtung. In nord
südlicher Bichtung gibt die Poldistanz die Werte für die Entfernungen. Obwohl
sich Meridiane und Parallelen stets im rechten Winkel schneiden, kommt diese Tat
sache bei der allgemeinen Betrachtung des Globus weniger zum Bewußtsein als die
Wahrnehmung, daß die Meridiane polwärts konvergieren. Infolge dieser gewonnenen
allgemeinen Anschauung will uns ein Erdkartenbild in zylindrischem oder säuligem
Entwurf, auf dem die Parallelen wohl im rechten Winkel von den Meridianen ge
schnitten, aber diese selbst starr, parallel zueinander verlaufen, nicht recht Zusagen,
und selbst eine geringe Krümmung der Meridiane auf einem Gesamterdbild, wie bei
meiner flächentreuen Ellipsen- und sinuslinigen Projektion, erinnert uns schon mehr
an das von dem Globus her in uns aufgenommene Bild. Daß die Meridiane die vom
1 Man vergleiche nur die in Hammerscher Projektion gegebenen Erdübersichten in dem von
A. Bludau neu herausgegebenen „Sohr-Berghaus’ Handatlas“, oder in E. Friedrichs „Wirt
schaftsgeographie“ (hier aus Versehen als „Hemisphäre“ anstatt „Holosphäre“ bezeichnet) oder in
G. Dreßlers „Fußpfad und Weg“ (Diss. Leipzig 1906) mit den Mollweideschen Bildern in Berghaus’
„Physikalischem Atlas“, in A. Supans „Tei’ritorialer Entwicklung der europäischen Kolonien“ oder
mit den Kartenskizzen in meiner Kreisringprojektion in dem „Leitfaden für Handelsgeographie“
(3. Aufl. Leipzig 1911), in dem „Kleinen Atlas zur Wirtschafts- und Verkehrsgeographie“ (Halle a. S.
1909) oder in meinem „Wirtschaftsatlas der Deutschen Kolonien“ (Bedin 1912).
2 A. Breusing: Das Verebnen a. a. O., S. 59.
3 In dem Aufsatz „über H. James’ und J. Babinets Entwurfskarten für Planigloben“ (P. M.
1858, S. 63ff.) kommt H Berghaus einigemal auf die geotreckten Parallelen zu reden.
U*