Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

164 
Das Kartennetz. 
Pol nach dem Äquator wachsenden Parallelkreise stets in gleiche, der Anzahl der 
Meridianschnittpunkte entsprechende Stücke, „Abweitungen“, zerlegten, das ist 
gegebenenfalls ein Moment, das für die Wahl bzw. den Ausschluß mancher Projektion 
sprechen kann. 
II. Die geographische Brauchbarkeit einiger Projektionen. 
07. Rechteckige Erdkarten und Verhältnis von Mittelmeridian zum Äquator. 
Die Berücksichtigung des ganzen Linienarrangements und das darauf begründete 
Studium des Verlagerungs Verhältnisses der Länder und Erdteile nennen wir eben 
die qualitative, die geographische Analyse eines Netzentwurfs. Sie und die quan 
titative Analyse, die also auf dem Studium der Verzerrungsverhältnisse beruht, 
müssen die Wahl der Projektionen bestimmen, nicht die Verzerrungsverhältnisse 
allein, wie Tissot, Zöppritz, Hammer, Bludau, Behrmann u. a. m. wollen. 
Behrmann spricht sogar mit apodiktischer Gewißheit: „Zur Abwertung der 
Güte der flächentreuen Projektionen kann einzig und allein der Wert 
der durchschnittlichen Maximalwinkelverzerrung 2co d maßgebend sein“ 1 ; 
und so konnte es nicht ausbleiben, daß er die flächentreue Projektion auf den Schnitt 
zylinder im dreißigsten Parallelkreis als „die beste flächentmie Projektion der ganzen 
Erde“ hinstellt, „die berufen ist, als Projektion mit den geringsten Verzerrungen an 
die Stelle vieler alter Erdbilder zu treten“. Abgesehen davon, daß letztere Worte 
zu allgemein gesprochen sind, ergibt die ganze Behrmannsche Untersuchung ein 
klassisches Beispiel dafür, auf welchen Abweg die „Anbetung der Formel“ führt. 
Schon auf mathematischem Wege lassen sich die Projektionen anders beurteilen, 
als es Behrmann getan hat; nur muß man dabei immer an die von Natur gegebenen 
Größenverhältnisse denken. Man weiß, daß die Projektionen von Mollweide und 
mir an der Auseinanderziehung der Breitengrade in den äquatornahen Gegenden 
leiden, besonders jedoch an der Zusammendrückung der Breitengrade nach den Polen 
zu. Dieses Mißverhältnis wird aber geradezu bedenklich bei der von Behrmann 
vorgeschlagenen flächentreuen Zylinderprojektion. 
Setzt man voraus, daß die Mercator-Sansonprojektion, die Zylinderprojektion 
von Behrmann und die Ellipsen- und Sinuslinienprojektion von mir in gleichem 
Elächenverhältnis vorliegen, und nimmt man die Entfernung des Pols (bzw. der Pol 
linie) vom Äquator auf dem Mittelmeridian bei der Mercator-Sansonprojektion gleich 1 
an, da das Koordinatenkreuz dieses Netzes am besten den natürlichen Abmessungen 
entspricht, so beträgt die gleiche Entfernung bei Behrmanns Zylinderprojektion — 0,7 
(0,735), bei meiner Ellipsenprojektion = 0,8 (0,845) und bei meiner Sinuslinien 
projektion = 0,9 (0,882). Demnach ist bei dieser Relation die Behrmannsche Mittel 
linie gegenüber der natürlichen um 1 / 4 zu kurz, bei meiner Sinuslinienprojektion nur 
um 7io- 
Wird bei den vier genannten Projektionen die Entfernung auf der Mittellinie 
vom Pol zum Äquator mit 1 angenommen, so wahrt nur die Mercator-Sansonsche 
Projektion die gleichen Entfernungen von Grad zu Grad, also ganz wie es den natür 
lichen Verhältnissen entspricht; die andern Projektionen ändern die Entfernungen 
1 W. Behrmann: Zur Kritik der flächentreuen Projektionen der ganzen Erde usw. Sitzgsb. 
d. K. Bayr. Ak. d. Wiss. 1909, 13. Abhandlg. München 1909, S. 8.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.