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Das Kartennetz.
Gebiet, das vom Äquator bis zur Pollinie reicht und vom Mittelmendian sich nach
0 und W auf je 25 Grad ausdehnt. Würde man die Projektion auf Grund der Skizze
oder der Funkschen Zahlen vervollständigen, würde das Verhältnis vom Äquator
zum Meridian für ein ganzes Gradnetz wie 3,14: 1 sein; das gleiche Verhältnis kann
man auch aus der Lambertschen Skizze herauslesen. Mithin ist das Verhältnis noch
weit ungünstiger als bei Behrmann; zugleich sind aber dessen Berechnungen ein
beachtenswertes Beispiel für den Fortschritt der Projektionstheorie seit den Tagen
von Lambert und Mayer.
Mit der Überstreckung des Äquators hängt bei Behrmann die gleichfalls un
angenehm wirkende Überstreckung der Pollinie zusammen. Wenn schon sie einmal
gebraucht wird, so soll man sich damit begnügen, ihr Höchstmaß nicht über die
doppelte Meridianlänge, die gleich dem zugehörigen Äquator ist, hinauszudehnen.
Nun gibt es aber für die Größe der Pollinie innerhalb vom Polpunkt bis zur Äquator
länge unendlich viele Möglichkeiten der Bestimmung der Verzerrungsverhältnisse,
so daß sich bei geschickt gewählter Bandkurve die mittlere Maximalwinkelverzerrung
noch auf geringere Werte als bei den Projektionen von mir und Behrmann bringen
läßt, und daß zuletzt auch im mathematischen Sinne das „Beste“, was Behrmann
seiner vorgeschlagenen Projektion als ausschlaggebende Eigenschaft beimißt, sich
noch einer wesentlichen Einschränkung unterziehen muß.
Aber schon das gesamte Exterieur der flächentreuen Zylinderprojektion, das
sich als stark zusammengedrücktes Rechteck präsentiert, will unserm geographischen
Empfinden, das von der Kugelgestalt der Erde genährt wird, nicht recht Zusagen. 1
Das Erdbild, das geographischen Zwecken dient, soll der in uns lebenden Vorstellung
von der Gestalt der Erde und der natürlichen Form der Kontinente doch ein wenig
entgegenkommen. Das tun aber alle andern Erdprojektionen viel besser als die die
ganze Erde berücksichtigenden Zylinderprojektionen. 1 2
Bei aller Kritik sei indessen auch hier nicht übersehen, daß die flächentreue
1 Dieser Vorwurf trifft in gewissem Sinne auch die Mercatorprojektion. Dazu macht sie bei
ihrer viereckigen Umrandung den Eindruck einer Gesamtkarte der Erde; das ist aber nur eine
Täuschung, denn sie kann bekanntlich das gesamte Erdbild nicht restlos darstellen.
2 W. Behrmann führt in seiner S. 164, Anm. 1 genannten Abhandlung aus, daß die mittlere
Maximalwinkelverzerrung 2 u> d in Eck'rts Sinuslinienprojektion 32° 19' beträgt, dagegen in Eckerts
Ellipsenkonstruktion nur 27° 34'; er schließt daher (S. 28): „Es ist somit von den Eckertschen
Projektionen die Ellipsenprojektion die beste und nicht, wne er annimmt, der Entwurf mit
den Sinuskurven.“ Das stimmt mathematisch, aber geographisch kann man auch anderer Ansicht
sein. Wohl war mir bewußt, wenn ich es auch noch nicht besonders zum schriftlichen Ausdruck ge
bracht hatte, daß meine Ellipsenprojektion die geringste Winkelverzerrung hat, und dennoch habe
ich mich für die Sinuslinienprojektion als die geeignetere von beiden entschieden, weil sie die Kon
tinente, d. h. die figürliche Ähnlichkeit nicht so verzerrt wie die Ellipsenprojektion. Der
Vergleich mit dem Globusbilde ist hierbei ein guter Korrektor. Als ich an die Herausgabe eines flächen
treuen Erdnetzes im Maßstab 1:20000000 schritt, erwog ich beide Vorteile: Hier geringste Winkel
verzerrung, dort geringere Entstellung des Erdbildes. Das geographische Gefühl gab den Ausschlag
und wählte die Sinuslinienprojektion. Um meiner Sache sicher zu sein, sprach ich noch mit O. Krümmel
darüber, der sich auch für die Sinuslinienprojektion entschied, desgleichen rieten mir auf briefliche
Anfrage hin H. Haack und H. Wagner zur Veröffentlichung der Sinuslinienprojektion. Gerade
der Entscheid dieser Kartenkundigen unterstützt meine obigen Ausführungen ganz vortrefflich, daß
ein gesundes geographisches Urteil auch in der Projektionslehre für uns Geographen wichtiger ist
als ein lediglich von der Mathematik bestimmtes Urteil. Stimmt es auch hier nicht wieder, daß grau
alle Theorie ist und grün des Lebens goldner Baum! — Trotz aller geographischen Einwände möchte
ich besonders noch hervorheben, daß ich die fleißige Arbeit Behrmanns zu schätzen weiß und in