Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Das Kartennetz. 
Im großen ganzen verhielt man sich zn Berghaus’ Zeiten noch ablehnend 
gegen die neuen Reformbestrebungen. Das Mercatorbild hatte sich allzu tief in dem 
geographischen Vorstellungskreis eingewurzelt. Wie war dies möglich? Einzig und 
allein durch die weltweite Verbreitung des Erdbildes in Mercatorprojektion, die mit 
Arrowsmiths Erdkarten einsetzte und alsdann durch Herrn. Berghaus’ Chart of 
the World eine Verbreitung, Sanktionierung und Nachahmung erhielt, die den 
Gedanken an andere Erdkartenprojektionen kaum aufkommen ließen und wenn 
aufgegangen, bald erstickten. Erst im letzten Dezennium des vergangenen Jahr 
hunderts setzt eine energischere und auch erfolgreichere Kritik gegen die Mercator- 
karte ein, und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts dringen die Ansichten 
über ihre Anwendung und Nichtanwendung auch praktisch durch, weil heute auch 
die Anforderungen des Geographen an ein Kartennetz höher, durchdachter als vor 
einigen Dezennien sind. Die Gegenströmung zur Anwendung der Mercatorprojektion 
mußte eintreten, als man die Räume auf den Karten gegeneinander abwertete. Das 
brachte erst die neuere, die messende Geographie; sie erwies, daß die Vergleichung 
des Raumes auf der Mercatorkarte praktisch nicht möglich ist: darum ist sie eines 
der wichtigsten geographischen Momente bar. Dies veranlaßte K. Peucker, bei der 
Mercatorkarte von dem „großen Schein einer Treue, der das Auge blendet gegen die 
Fülle von Untreue, durch die er erkauft ist“, zu sprechen. 1 Er konstruiert daraufhin 
seine „Entstellungsbilder“ 1 2 und sucht durch die Betrachtung der „Azimutalverzerrung“ 
das Urteil über den Wert der Winkeltreue für chorographische Karten zu klären. 
Damit liefert er in erwünschter Weise, wie auch E. Hammer gebührend würdigt 3 , 
zu dem Studium der Elementar Verzerrungen ein neues Moment, das sich auf endliche 
Dimensionen bezieht. Auf diese Art Verzerrung hatte ich gleichfalls schon hingewiesen, 
als ich davon sprach, daß zur allgemeinen Abschätzung von Strecken, wie von Reise 
wegen, die Mercatorkarte sehr ungeeignet ist, indem sie die Routen in den Tropen 
gegenden viel zu klein, in den gemäßigten und polaren Gebieten viel zu lang 
angibt. 4 
Trotz aller Einsicht kommen immer noch ganz widersinnige Anwendungen des 
Mercatorentwurfs vor, was heutige Publikationen nur zu oft beweisen, selbst bekannte 
Schulatlanten. Doch wird man auf diesem Gebiet schon hellhöriger und hellsehender 
und weist hie und da die ungebührliche Bevorzugung des Mercatornetzes auf Schul 
karten entschieden zurück, wie es beispielsweise durch Schwarzleitner 5 und 
Carstenn 6 geschehen ist. 
An dem Kampf gegen die Mercatorprojektion als geographische Landkarte 
1 K. Peucker: Studien an Pennesis Atlante scolastico. Mit. d. Geogr. Ges. Wien 1899 
u. 1900. 
2 K. Peucker gibt auf Nr. 1 von Steinhausers Repetitionsatlas eine Mercatorkarte als Um 
rißkarte, an deren Rand aber zugleich auch das Verzerrungs- oder Entstellungsbild. — Vgl. auch 
a. a. 0„ 1900, S. 37. 
3 E. Hammer im G. J. XXIV. 1901/02, S. 27. 
4 A. Petermann gibt in P. M. 1869, T. 16 eine Karte zur Übersicht von A. v. Humboldts 
Reisen in der Alten und Neuen Welt 1799—1829, worauf die Reisestrecken in den amerikanischen 
tropischen Gebieten viel zu kurz gegenüber der russischen Reise wegkommen. — s. M. Eckert: Die 
Kartenprojektion, a. a. 0„ S. 447. 
5 Schwarzleitner: Die Landkarte im Gebrauche der Schule. G. A. 1914, S. 55. 
6 Edw. Carstenn: Schule un Mercators Erdkarte. Pädagogische Blätter. 43. Jahrg. 
1914, S. 257 -259.
	        
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