Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Das Kartennetz. 
noch über 200 km hinansgegangen werden), also 100 km und mehr als bei dem bisher 
gebrauchten Soldnerschen System 1 , und unbegrenzt weit in nordsüdlicher Richtung 
sind. Da wäre der westliche Kriegsschauplatz mit einem System ausgekommen. Der 
Vorschlag, die bis dahin gebrauchten Koordinaten umzuwandeln, konnte nicht mehr 
verwirklicht werden, da er erst gegen Kriegsende verlautbar wurde. 
Die preußische Landesaufnahme hält es jetzt für ihre vornehmste Aufgabe, die 
Gauß-Kriigerschen Koordinaten oder die Gaußsche Projektion, wie man auch 
sagt, so schnell wie möglich einzuführen. Die Grundlage dazu hat man neben anderm 
aus dem bedeutenden Werk von L. Krüger Konforme Abbildung des Ellipsoids in 
der Ebene, Potsdam (Leipzig) 1912, geschöpft. Dadurch wird die alte Schreiber 
sche Doppelprojektion (s. Schluß dieses Kapitels) abgelöst. Das Wesen der Gauß 
schen Projektion besteht darin, daß die Meridionalstreifen vom Sphäroid auf die 
Ebene winkeltreu übertragen werden. Daß die Projektion in nordsüdlicher Richtung 
beliebig ausdehnbar ist, wurde oben bereits vermerkt. Von dem mittlern Meridian, 
dem Hauptmeridian eines jeden Meridianstreifens, geht man l 1 /^ nach 0 und W, 
daß mithin jeder Streifen drei Längengrade umfaßt. Außerdem erhält jeder Meridian 
streifen seinen eigenen Nullpunkt. Wie ich den Ausführungen Baumgarts in der 
Zeitschrift für Vermessungswesen entnehme 1 2 , wird der bisherige Hauptmeridian der 
Landesaufnahme, 31° östl. Ferro, weiter beibehalten, und die Nullpunkte verteilen 
sich auf die Meridiane 25°, 28°, 31°, 34°, 37° und 40°. Die Breite aller Nullpunkte 
verbleibt für jeden Meridianstreifen wie bisher auf 52° 42' 2", 5325. 
Durch die Einführung der Gaußschen Koordinaten erobert die preußische 
Landesaufnahme ihr altes Prestige im Vermessungswesen zurück. Denn dadurch 
wird ein großer Fortschritt erzielt, insofern sämtliche 40 bei der preußischen Kataster 
messung in Anwendung stehenden Soldnerschen Koordinatensysteme, deren Or- 
dinaten nicht über 60 km hinausgehen, rund auf sechs, auf die Bedürfnisse der ge 
nauesten Grandstücksvermessung Rücksicht nehmenden Teilsysteme beschränkt 
und sämtliche trigonometrische Punkte der Landesaufnahme in rechtwinkligen Ko 
ordinaten ausgedrückt werden, die für Einzelmessungen und die Kartographie (ein 
schließlich des artilleristischen Planmaterials) unmittelbar zu verwerten sind. Außer 
dem erübrigt sich die Umrechnung aus geographischen Koordinaten. Bisher werden 
in der Landesaufnahme rechtwinklig ebene Koordinaten nur zu Ausgleichungszwecken 
berechnet. Für die Einzelvermessungen und die Kartographie waren sie belanglos. 
Es ist nur zu wünschen, daß sich auch die süddeutschen Staaten sobald wie möglich 
anschließen und Bayern seine „splendid isolation“ als das „klassische Land der 
Kongruenzkoordinaten“ bald aufgibt. 
Obwohl man sich in Deutschland über die Gaußschen Koordinaten als die besten 
für eine Landesaufnahme längst klar war, hatte es doch recht lange gedauert, bis sie 
den Sieg über andere Koordinaten davontrugen. Vor rund hundert Jahren wurden 
sie zum ersten Male Tingewendet, und zwar durch Karl Friedrich Gauß bei der 
Landestriangulation von Hannover 1821 —1844. 3 Über die Theorie selbst hat Gauß 
1 Wieweit die Gaußschen Koordinaten den Soldnerschen gegenüber überlegen sind, wird 
an Beispielen im 3. Bd. der Vermessungskunde von Jordan-Eggert, Stuttgart 1916, S. 309 nach 
gewiesen. 
2 Baumgart: Die Bezifferung des Meldegitternetzes in Übereinstimmung mit den tatsäch 
liehen Koordinatenwerten. Z. f. Verm. 1919, S. 187ff. 
3 Vgl. K. Fr. Gauß' Werke. IV. Göttingen 1873.
	        
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