Die Grundlagen der topographischen Abbildungen.
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nichts veröffentlicht, sie wurde 1866 aus den Traditionen der Hannoverschen Landes
aufnahme von 0. Schreiber herausgeschält. 1 Aber noch fand sie nicht die genügende
Beachtung. Selbst der von F. R. Helmert am 18. August 1877 bei der in Frankfurt
a. M. tagenden Hauptversammlung des Deutschen Geometervereins gehaltene Vor
trag, in dem Helmert den hohen Wert der Hannoverschen Projektionsmethode be
leuchtete, hat wenig gefruchtet. Seit 1881 hatten sich in ganz Deutschland die
Soldner sehen Koordinaten eingenistet; und es ist mehr als eine eigentümliche Fügung,
daß das klassische Gaußsche konforme System gerade in Deutschland keine amt
liche Einführung fand. „Es ist nicht unmöglich, daß das laute Rühmen der Vorteile,
welche die einheitlichen, süddeutschen Soldner sehen Systeme viele Jahrzehnte
lang voraus hatten, schließlich dem gleichen System auch in Preußen zum Siege ver-
holfen hat; allein jenes Rühmen hat die feinem Unterschiede und Vorteile der Kon
formität neben dem Hauptmomente, daß überhaupt umfassendere, auf Erdkrümmung
berechnete Koordinatensysteme notwendig sind, nicht in Betracht genommen.“ 1 2 Den
Anstoß zur gründlichen Behandlung der Frage gab W. Jordan durch seinen Vortrag
über „die deutschen Koordinatensysteme“ bei der Tagung des Deutschen Geometer
vereins am 8. Juni 1895 in Bonn. Der Streit hierüber tobte ein Jahr lang fort. 3 End
lich war man von der Bedeutung der Gaußschen konformen Koordinaten auch in
weitern als bloß geodätischen Kreisen überzeugt. W. Jordan schloß seine Repliken
mit dem prophetischen Wort: „Wenn abermals zwei Jahrzehnte verflossen sein
werden, ums Jahr 1916—1920, wird die Gaußsche konforme Projektion für Kataster
aufnahmen ebenso unbestritten als zweckmäßigste gelten wie heute die früher für
unausführbar erklärte Gaußsche Ausgleichung für Katasterdreieckmessungen“. Das,
was die Franzosen für ihre neue Katastervermessung suchten, Einführung von meri-
dionalen Streifen mit konformen Koordinaten 4 , ist ganz das, was in dem deutschen
Koordinatensystem nach Gauß vorliegt. Ch. Lallemand, der Bearbeiter des neuen
französischen Katasters, kannte die Hannoversche Projektionsmethode, die er außer
in Frankreich auch in Ägypten anwandte. Aber auch in Deutschland selbst griff man
bei Neueinrichtungen von Landesaufnahmen auf die Gaußschen Koordinaten zurück,
wie bei der winkeltreuen Kegelprojektion der Landesaufnahme von Mecklenburg.
In den deutschen Kolonien ist von 1912 ab von der preußischen Landesaufnahme
nach Gaußschen Koordinaten gearbeitet worden. Neben Preußen und Sachsen hat
jetzt Österreich mit der Einführung der Gauß-Krügersehen Meridianstreifen begonnen.
Andere Staaten dürften bald in größerer Anzahl nachfolgen, zunächst Griechenland,
Schweden, Norwegen.
1 O. Schreiber: Theorie der Projektionsmethode der Hannoverschen Landesvermessung.
Hannover 1866.
2 M. Rosenmund: Die Änderung des Projektionssystems der schweizerischen Landes
vermessung. Bern 1903, S. 52.
3 Man vgl. dazu die verschiedenen Aufsätze in den Jahrgängen 1895 u. 1896 in d. Z. f. Verm.,
desgl. E. Hammer in G. J. XX. 1897/98, S. 443.
4 Ministère des finances. Commission extraparlementaire du cadastre. Sous-commission
technique. Réfection du cadastre de la commune de Neuilly-Plaisance (Seine-et-Oise) par Ch. Lalle
mand, ingénieur en chef des mines, directeur du service du nivellement général de la France. Extrait
du rapport général sur les travaux de la sous-commission technique par M. E. Cheysson, inspecteur
général des ponts et chaussées. Paris 1898. — Vgl. W. Jordans Referat in Z. f. Verm. XXVIII.
1899, S. 38. — Ferner orientiert hierüber Rothamel: Erneuerung u. Wiederherstellung des Katasters
in Frankreich. P. M. 1907, S. 90—93. insbes. S. 93.