Die Grundlagen der topographischen Abbildungen.
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daß das Schießen durch den Wechsel wenig beeinflußt werde, daß selbst bei entfernten
Zielen für weittragende Geschütze mit einem Fehler zu rechnen ist, der noch inner
halb des Streuungsbereiches der Geschütze lag, fand man sich mit dem wenig schönen
Zusammenschluß der Koordinatensysteme so gut wie es eben ging ab.
Die Engländer waren mit ihrem Koordinatensystem bzw. Gitternetz auf die
Bonnesche Projektion hineingefallen, was sie selbst später eingesehen haben. 1 Die
Franzosen als das offenbar mathematisch begabtere Volk wählten mit raschem Ent
schluß ein neues winkeltreues Koordinatensystem für ihre Gitternetzkarten, das auf
eine winkeltreue (orthomorphe) Projektion J. H. Lamberts zurückgeht; sie nannten
es ,, Quadrillage système Lambert“, dessen Nullpunkt möglichst weit nach 0 gelegt
wurde. Das System leistete bei weitem mehr als das englische und konnte auch
über ein größeres westöstliches Gebiet als das Soldnersche ausgedehnt werden.
78. Das Gitternetz. Zieht man die gleichabständigen Abszissen- und Ordinaten-
werte geradlinig aus, dann erhält man ein Koordinatennetz, das als „Gitternetz“
bezeichnet werden kann und ein weiteres Mittel ist, die Ortslage schnell und sicher
zu bestimmen. Bisher hat das Gitternetz wie überhaupt das rechtwinklig sphärische
Koordinatensystem dem Geographen ferngelegen, aber die Kriegskarten zwangen
ihn, sich mit diesen „neuen“ Kartennetzen näher bekannt zu machen. Man darf
nicht glauben, daß dies nur eine vorübergehende Erscheinung ist, die kommende
intensivere Beschäftigung und Erforschung des heimatlichen Bodens werden schon
dafür sorgen, daß sie in der Geographie nicht wieder in Vergessenheit geraten; denn
dadurch, daß fernerliegende Gebiete von der Erforschung vorderhand ausgeschlossen
erscheinen, wird sich die Erforschung des heimatlichen Bodens verdichten und in
tensiver gestalten. Das führt zweifellos zum Studium großmaßstabiger Karten,
und dann stellt sich die Bekanntschaft mit dem „Landesvermessungssystem“ von
selbst ein.
Ein Kartennetz nach rechtwinklig sphärischen Koordinaten in großem Maß
stabe hergestellt, kann man in westöstlicher Richtung bequem auf 100—120 km
ausdehnen, ohne Gefahr zu laufen, von natürlichen Verhältnissen stark abzuweichen.
Die Winkelverzerrung ist eine minimale wie auch die Richtungs- und Entfernungs
änderung und erst an den Ecken des gesamten Netzes merkbar, aber kartographisch
kaum darstellbar. Infolge dieser ausgezeichneten Eigenschaften sind die Soldner -
schen Koordinaten zur Herstellung eines Gitternetzes wie geschaffen. Man wählt
in der Regel die Entfernung der Großkreise (die senkrecht den Meridian des Null
punktes durchschneiden) wie der Kleinkreise (die parallel zum Meridian des Null
punktes verlaufen) zu 1 km = 1000 m. Bei dem Maßstab 1 : 25000 beträgt diese
Strecke 4 cm. Das Kartenblatt, etwa von der Größe eines Meßtischblattes — im
Kriege war für die Neuaufnahme in 1 : 25000 die Größe 40 X 40 cm üblich geworden —,
wird sodann mit einem Koordinaten- oder Gitternetz überzogen. Das Gitternetz
wird über den innern Kartenrand hinaus verlängert bis zu dem etwa 8 mm ent
fernten äußern Kartenrand. An die 8 mm langen Endstücke der Koordinaten läßt
sich bequem die Bezifferung anbringen.
Verschiedene topographische Kartenwerke hatten bereits vor dem Kriege den
Anfang zu einer ausführlichen Gitternetzbezeichnung gemacht, indem auf den Blatt
1 M. Eckert: Die Kartographie im Kriege. G. Z. 1920, S. 316 ff.