Die Gradnetze der topographischen Kartenwerke.
195
Polyederprojektion überhaupt nicht’paßt, darüber mehr in dem Kapitel über die
zulässigen Fehler groß maßstabiger Karten.
Die Gradkarten kann man sich auch in anderer Weise entstanden denken. Für
jede Zone der auf gleicher Breite befindlichen Kartenblätter nimmt man eine Kegel
projektion an, bei der der Mantel den Mittelpunkt berührt. Dieser und die Breiten
werden längentreu abgebildet. Auch die Breitendifferenzen entsprechen genau denen,
wie wir sie auf dem Sphäroid finden. Dadurch erhält man für jede Projektionszone
einen andern Grundkegel. Der Abwicklungsvorgang hat zu dem Namen poly
konische Projektion geführt. Am einfachsten hat man die polykonischen Ab
bildungen durch die Forderung definiert, daß die Parallelkreise durch ein System
von Kreisen abgebildet werden, deren Mittelpunkte in gerader Linie liegen. 1 Praktisch
verwendet sind bisher nur zwei poly konische Abbildungen, die polykonische Pro
jektion des Coast Survey Office der Vereinigten Staaten 1 2 und die rechtschnittige
polykonische Projektion des englischen War Office. 3 Bei Lichte besehen ist der
polykonische Entwurf nichts anderes als eine Art Polyederprojektion. 4
Aus dem Wesen der poly konischen oder richtiger polyedrischen Projektion ist
es erklärlich, daß nur Karten innerhalb der Zonen selbst aneinanderpassen, dagegen
die Ränder zweier benachbarter Zonen nicht auf einem Kreise liegen, sondern auf
zwei Kreisen mit verschiedenen Mittelpunkten. Die dadurch entstehenden Zwischen
räume werden mit der Entfernung vom Mittelpunkt immer größer. Die Zonen klaffen,
wie man sagt. Doch sind die Nachteile, daß mehrere Blätter ohne Klaffe nicht ver
einigt werden können 5 , verschwindend gegenüber den Differenzen, die bei dem Re
produktionsvorgang des Kartenblattes entstehen. Neben andern hat sich M. Rosen-
mund mit dem Problem beschäftigt und nachgewiesen, daß z. B. bei einer Karte
der Schweiz in 1 : 100000, deren Einzelblätter die Höhe derjenigen der Dufourkarte
haben, die Zonen an der äußersten Osi- und Westgrenze erst 0,15 mm auseinander
klaffen, ein Betrag, der gegen die Verzerrung des Papiers beim Druck gar nicht in
Frage kommt. 6
80. Topographische Karten ohne Gradabteilung, insbesondere die Bonnesche
Projektion. Die Gradabteilungskarten haben das Bestreben, innerhalb ihres ver
hältnismäßig engen Bereiches keine merklichen Verzerrungsfehler aufkommen zu
lassen. Neben ihnen findet sich in nennenswertem Maße nur noch die Bonnesche
Projektion benutzt, die ein ganzes Land nach einem einheitlichen Projektionssystem
abbildet und infolgedessen mit sehr merklichen Verzerrungsfehlern rechnen muß.
Die Flächentreue spielt dabei die Hauptrolle.
Der französichse Ingenieurgeograph Rigobert Bonne 7 (1727—1795) hat
1 Tissot-Hammer, S. 156.
2 Tafeln zur leichtem Konstruktion des Netzes bei J. E. Hilgerd: Report of the Superintend.
Coast survey 1859, Appendix 33, S. 328. — Projection tables of the U. S. Navy. Washington 1869.
— R. S. Wood ward- Smithsonian geographical tables. Washington 1894.
3 H. James i. Joum. Roy. Geogr. Soc. XXX. 1860, S. 106. — Tissot-Hammer, S. 161.
4 Was man dann dazu sagen soll, wenn die Projektion der Weltkarte 1 : 1000000 nach der
Londoner Konferenz den Namen „modifizierte polykonische Polyederprojektion“ erhielt überlaß
ich jedem, der nur einigermaßen etwas von Projektionen versteht. Vgl. oben S. 109, 110.
5 4 bis 9 Blätter können ganz gut miteinander verbunden werden.
6 M. Rosenmund, a. a. O., S. 22.
7 Nicht zu verwechseln mit dem etwas später lebenden Obersten Henry Bonne, der auch