Geologie und topographische Karte.
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Wirken die Berg- und Talformen besser als bisher ins Kartenbild gebannt wurden.
Erst die neuere morphologische Karte kommt den Ziegler sehen Wünschen nahe, erfüllt
sie jedoch noch nicht ganz. 1 Auf ihn ist es zurückzuführen, daß einfache geologische
Oberflächenerscheinungen in die Geländedarstellung großmaßstabiger Karten ein
drangen. Heute nehmen wir es als selbstverständliche Tatsache hin, daß sich auf guten
topographischen Karten die Formen des Vorgebirges von denen der Kalkalpen unter
scheiden, doch hat es lange gedauert, bevor sich die Karte zu dieser Höhe emporschwang.
Von schweizerischer Seite aus wird aber auch gewarnt, das geologische Bild bei
der topographischen Karte nicht zu übertreiben. Kein Geringerer als der Heraus
geber des Siegfriedatlasses, H. Siegfried, ist es selbst, der darauf aufmerksam macht,
daß der Topograph den geometrischen Verlauf der Niveaulinien der Oberfläche, soweit
das Gelände überhaupt durch solche Linien darstellbar ist, wiederzugeben hat und nicht
den unter der Bedeckung des Gesteins erkannten Verlauf von Schichtköpfen, was in
eine geologische Karte gehört; „wenn der Maler das Bild des lebenden Menschen geben
soll, so darf er die Züge desselben nicht bis zum Bild des geschundenen Marsyas über
treiben.“ 1 2
Es ist natürlich, daß wir in die Gegenden mit ausgesprochenem Gebirgscharakter
gehen, wenn wir die Abhängigkeit der topographischen Linienführung vom geologischen
Bau der Erdrinde studieren wollen, obwohl zuletzt jedes Stückchen Erde dazu Ge
legenheit bietet. Die Alpen und Süddeutschland sind ein bevorzugtes Studiengebiet.
Überhaupt hat Württemberg von jeher diesen Problemen großes Interesse entgegen
gebracht. Darum finde ich es nicht erstaunlich, daß ein neuerer Großmeister der Topo
graphie, E. Hammer, ein ausgezeichnetes Beispiel gibt, wie topographisch auf Grund
lage der geologischen und morphologischen Erscheinungen aufzunehmen ist. 3 An
einem klassischen Beispiel zeigt er, wie es gemacht werden muß, wie z. B. sich die Profile
von Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper ganz verschieden verhalten, wie sich
diese Verschiedenheit in der Linienführung der Schichtlinien widerspiegeln muß, oder
wie die Schichtlinien in den Seitentälchen und Schluchten (Klingen oder Einschlägen)
des Keupermergels wesentlich anders, nämlich sehr spitz, als im Buntsandstein ver
laufen usw.
Die alpine Kartographie insonderheit hat durch Ziegler gelernt. Zunächst
waren es die Karten des Schweizer Siegfriedatlasses, in 1 : 25000 und 1 : 50000, die
sich den Ideen Zieglers anzupassen suchten, indem sie auffällige Oberflächen
erscheinungen (Karrenfelder) besonders charakterisierten, wie auch die unterschied
lichen Formen des Urgebirges und Kalkgebirges. Bei der Felszeichnung einzelner
Blätter kann man auf das verschiedengradig widerstandsfähige Gestein schließen,
Berg- und Talformen treten möglichst prägnant im Kartenbilde auf. Zur Erreichung
dieses Zieles haben die im Beginn der Gebirgsaufnahmen vom Ingenieur Wolfs-
berger gelieferten musterhaften Zeichnungen der Gebirgspartien von Unterwallis
beigetragen. Leuzinger gab den Aufnahmen auf der Karte das vollendete Bild.
Geologisch vertiefter ausgearbeitet sind die Karten in 1 : 25000 und 1 : 50000 des
Alpenkartographen Leo Aegerter, die in der Zeitschrift des Deutschen und Öster-
1 Vgl. den Abschnitt über „morphologische Karten“ in Teil I, S. 94ff.
2 H. Siegfried: Geograph, u. kosmograph. Karten u. Apparate. Bericht Internat. Welt-
ausstellg. 1878 in Paris. Schweiz. Zürich 1879, S. 30.
3 E. Hammer: Die orographische Gestaltung Württembergs u. sein geologischer Bau. Kettlers
Zeitschr. f. wiss. Geographie, III. Lahr 1882, S. 93ff,. 148ff.