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Die Kartenaufnahme.
steht, „daß schon in einer nach richtigen Grundsätzen hergestellten topographischen
Karte an dem Wechsel der Bergformen die Grenzen der verschiedenen Gesteinarten
erkennbar sein müssen“; 1 er muß genau wissen, worauf es ankommt, um nicht auf
zufällige Rauhigkeiten des Geländes mehr Gewicht zu legen als auf tektonisch be
deutungsvollere Formen. Nirgends findet er Belehrung, nirgends Anleitung, die
Formen geologisch und morphologisch zu verstehen und in der Natur zu erfassen.
Deshalb werden auch die Klagen nimmer aufhören, die aus Kreisen der Landes
geologen über die topographischen Karten laut werden. (Vgl. auch S. 97, 212.)
Noch mehr als in den Lehrbüchern scheint mir der Fehler bei der Leitung der
großen Vermessungsinstitute zu liegen, die für die geographische, geologische und geo-
morphologische Ausbildung der Topographen nicht genug Sorge tragen. Freilich er
fordert dies größere Gesichtspunkte als wie wir sie daselbst beobachtet haben und viel
Arbeit, wobei auch nicht alles nach einem Schema zu behandeln ist, denn der Topo
graph des Hochgebirges muß anders als der des Tieflandes ausgebildet werden.
An den Geographen und Geologen liegt es weniger, sie sind gern bereit, die
nötigen Unterweisungen zu geben. Nur müßten die Landesaufnahmen aus ihrer nicht
selten hermetisch verschlossenen Isolierung heraustreten und geographischen, geo
logischen und mathematischen Kreisen zugänglicher sein. Überhaupt muß der Puls
schlag neuen wissenschaftlichen Lebens die Landesaufnahmen kräftiger als bisher
durchzittern und auffrischen. Schon haben wir hier und da gute Anläufe gesehen,
wie bei den schweizerischen, österreichischen und bayerischen Landesaufnahmen.
Und w 7 enn endlich auf allen Hochschulen die Geographen eine Morphologie für die
Bedürfnisse des Geodäten lehren, dürften die Landmesser mit ganz andern Augen
und Gewinn als bisher an ihre Vermessungsaufgaben heranschreiten.
89. Die Maßstabfrage bei geologischen Aufnahmen. Daß die heutigen topo
graphischen Aufnahmeverfahren trotz großen Maßstabes zur Vernachlässigung morpho
logischer Phänomene führen können, ist leider allzu w T ahr. In den frühem Zeiten,
als in 1 : 50000 oder ähnlichen Maßstäben aufgenommen wurde, war die Methode
der Höhenpunktbestimmung noch nicht so fein und reich ausgebildet wie heutiges-
tags, und es kam viel mehr auf das scharfe Erfassen der Formen im Gelände an. Nun
ist es richtig, in den ,,ä la vue-Aufnahmen“ nicht das A und Q der topographischen
Aufnahmen zu erblicken. E. Hammer insonderheit warnt, sie nicht zu überschätzen 1 2 * ,
doch dürften sie heute nicht so vernachlässigt werden, wie es weniger bei der Meß
tischaufnahme als den tachymetrischen Aufnahmen in 1 : 5000 und großem Maß
stäben der Fall ist. Die Verführung bei letzterm Verfahren ist zu groß, nur in dem
Einheimsen einer großen Anzahl gemessener Punkte, die zur Konstruktion des Ge
ländes im Zimmer dienen, das alleinige Heil guter topographischer Aufnahmen zu
erblicken. Es dürfen die numerischen Höhenbestimmungen nicht auf Kosten des
geistigen Erfassens der Bodenformen überhand nehmen. Die große Punktzahl macht
noch keine Karte, und tektonisch wichtige Unebenheiten können auch hierbei über
sehen werden. Auf alle Fälle ist eine nochmalige Begehung des Geländes an der
Hand der fertiggestellten Höhenzeichnung sehr zu empfehlen. Der dafür beanspruchte
Zeit- und Kostenaufwand macht sich reichlich belohnt.
1 Br. Schulze: a. a. O., S. 182.
2 E. Hammer: Zur künftigen topographischen Grundkarte von Deutschland. Der Landmesser.
Z. des Landesverbandes preußischer Landmesservereine in Berlin VII. 1919, S. 39.