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Die Kartenaufnahme.
zurückzuführen, daß das Meßtischverfahren gleichsam ein Prärogativ der Militär
topographen wurde! Ihm war es wohlbewußt, daß gute Meßtischaufnahmen eine
langjährige Schulung des Topographen erfordern. Auch wandte er bereits bei seinen
eigenen Meßtischaufnahmen die Niveaulinien an, um den Oberflächenformen einen
natur- und sachgemäßen charakteristischen Ausdruck zu verleihen. Weniger kam
es darauf an, den Gang und den Verlauf der Höhenlinien zu bestimmen, da sie nur
Mittel zum Zweck sind. In einer guten Meßtischaufnahme liegen offenbar viele Momente,
die das Gelingen eines guten Kartenbildes gewährleisten. Auf einer guten Topographie
baut sich die gute Karte auf. Die Topographie ist die Karte. Eine schlechte Topo
graphie kann das ganze Kartenbild verderben, mithin auch den Wert der Triangulation
nicht zur Geltung kommen lassen.
Trotz allem Fortschritt in den Aufnahmemethoden scheint mir von geographischer
Beite aus die Frage berechtigt: Sehen unsere heutigen Topographen noch so gut wie
die von ehemals? Wird nicht zugunsten einer reichen Punktbestimmung das Sehen
im Gelände vernachlässigt? Die Antwort haben wir eigentlich schon auf S. 216ff.
gegeben, indessen ist die Frage so wichtig, daß sie am Schluß der Untersuchung über
die Genauigkeit der Karte formuliert zu werden verdient. Wir wissen, daß die öster
reichische Präzisionsaufnahme auf das richtige Sehen der Topographen großes Gewicht
legte. An der Hand selten schöner und akkurat -ausgeführter handschriftlicher Exem
plare von Alpenkarten verteidigte Oberstleutnant Vogel mir gegenüber das öster
reichische System 1 , das darin besteht, daß die Schraffen nicht erst nachträglich in
das Terrainbild mit Niveaulinien hineinkonstruiert, sondern im Felde gleich ent
worfen und später erst die Höhenlinien hineingearbeitet werden, wodurch das richtige
Sehen bei den österreichischen Topographen bewirkt wird, was bei den deutschen
wohl schwer noch so gut anzutreffen ist. Und doch ist es eine verfehlte Manier, wenn
bei Meßtischaufnahmen die Niveaulinien, die das Charakteristische des Geländes
ausdrücken sollen, erst im Bureau durch Interpolation zwischen den Höhenpunkten
gewonnen werden. In dieser Ansicht weiß ich mich ganz eins mit einem so erfahrenen
Praktiker wie L. Aegerter. 1 2 Ebenso zeichnet der italienische Mappeur keine Schraffen,
sondern in der Aufnahmesektion 50 m-Schichtlinien in unmittelbarem Anblick der
Bergformen. An der Hand der zahlreichen Höhenmessungen werden später die
Schichtlinien berichtigt und auf der Spezialkarte (1 : 100000), nicht auf dem Sektions
blatt, mit Schraffen ausgefüllt.
104. Kein Allerweltsaufnahmeverfahren. Das Verläßlichkeitsdiagramm. Im
großen und ganzen kommt es bei all den Aufnahmeverfahren auch auf ein gut Teil
Anlage und geistige Kapazität des Aufnehmenden an. Der eine wird mit diesem
schneller arbeiten können, der andere mit jenem. Schulung und Erfahrung sind mit
bestimmend bei der Beurteilung und Bevorzugung dieses oder jenes Verfahrens.
Schließlich spricht das Gelände mit, da jedes wichtigere und schwierigere Gelände
sein besonderes Aufnahmeverfahren beansprucht. 3 Ein Allerweltsaufnahmeverfahren
1 Bei einem Besuch des k. k. militär-geogr. Instituts am 12. September 1913.
2 Begleitworte zur Karte der Brentagruppe. Z. d. D. u. Ö. Alpenvereins, 1908, S. 82.
3 Es war seinerzeit ein verfehltes topographisches Unternehmen, Deutsch-Südwestafrika in
Meßtischblättern 1:50000 aufzunehmen. Nachdem man die Gegend von Windhuk aufgenommen
hatte, nahm man von einer Fortsetzung der Meßtischaufnahme Abstand, der langen Zeitdauer und
Kosten wegen, die diese im Sinne europäischer Landesvermessung ausgeführten Arbeiten beanspruchten.