Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Die lineare Topographie. 
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Diese Worte aus dem Monde Keplers versetzen uns einigermaßen in Erstaunen, da 
er doch über die Aufnahmemethoden seiner Zeit, wo P. Apian schon gewirkt hatte, 
Bescheid wissen mußte; auch konnte man von ihm bei seinen hohen mathematischen 
Fähigkeiten verlangen, Wege und Mittel zu weisen, wie den Irrtümern der Karte zu 
begegnen sei; vielleicht lag ihm die ganze Arbeitsrichtung nicht, und die ihm zugleich 
anempfohlene Beendigung der berühmten Budolphinischen (astronomischen) Tafeln 
scheint ihn mehr als jene erstere Aufgabe angezogen und beschäftigt zu haben. Wie 
dem auch sei, die von ihm empfohlene primitive Methode ist heute noch nicht aus 
gestorben 1 und findet sich in der mündlichen Erkundung des Topographen oder 
Trigonometers bei den ortsansässigen Bewohnern nach Namen und Schreibweise 
von Ortschaften, Gasthöfen, Einzelhäusern, Wegen, Bergen usw. Von Forschungs 
reisen wird die Richthofensche Forderung, in wenig begangenen Ländern bei den 
Einwohnern Tag für Tag zu erkunden 1 2 ausgiebig befolgt, manchmal zu ausgiebig, 
und die Gefahr liegt nahe, daß der Reisende sich mehr auf die Eingeborenenaussagen 
verläßt als auf Autopsie. 
II. Die lineare Topographie. 
107. Die flüchtige topographische Aufnahme. Solange der Geograph zu Forschungs 
zwecken in fremde Lande zieht, wird das Messen nicht aufhören. Der Trieb der For 
schung leitet Messung und Entdeckung, sagt v. Rieht ho fen. 3 Trotzdem wir das 
irdische Wohnhaus in allen Winkeln abgeleuchtet haben, gibt es für Landesaufnahmen 
noch viel, wenn nicht alles zu tun. Selbst in den europäischen, hochkultivierten ‘ 
Ländern mit ihren durchgeführten Meßtischaufnahmen gibt es für den Geographen 
noch lohnende topographische Aufgaben zu lösen, die vorzugsweise in der Ergänzung 
des vorhandenen Kartenmaterials bestehen. 4 Die flüchtige topographische Aufnahme, 
der „flying survey“, geht in der Hauptsache linear vor. Je nach Zeit, Vorbildung 
und Geschicklichkeit des Aufnehmenden wird mit oder ohne Instrument gearbeitet. 
Auf Krokierblock oder -brett, Bussole, Kompaß, Diopterlineal und Wasserwage 
(Libelle) mag heute kaum noch der Geograph als Reisender verzichten, dem es um 
ein einigermaßen brauchbares Kartenbild zu tun ist. Das Kroki erspart ihm lang 
wierige Beschreibungen und bietet als graphische Darstellung des Terrains den Vor 
teil, sich dem Gedächtnis viel leichter und richtiger als die bestgefaßte Beschreibung 
einzuprägen. Beim Entwerfen der Itinerare, wobei Taschenuhr und Kompaß die 
Hauptrolle spielen, kann man nach K. Hassert eine beschreibende und zeichnerische 
Methode unterscheiden. 5 Bei der erstem wird an jeder Wegkrümmung Urzeit und 
Kompaßwinkel notiert, bzw. die Länge des zurückgelegten Weges unmittelbar durch 
1 Daß in geographischen Kreisen die Kepplersche Methode noch nicht ausgestorben ist, darüber 
macht sich J. Frischauf (Die mathematischen Grundlagen, a. a. O., S. 179, 180) lustig, und zwar bei 
der Beurteilung der Aufnahmen von Sven Hedin, veranlaßt durch E. Oberhummers Lobrede auf 
diese Aufnahme, die aber schon von A. Strindberg als eine Leistung angesehen wurden, die ihm die 
Bezeichnung „Der Überbarnum“ entlockte. 
2 F. v. Riehthofen: Führer für Forschungsreisende. Berlin 1886, S. 32. 
3 F. v. Richthofen, a. a. O., S. 44. 
4 A. Penck: Oberflächenbau. Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung. Hg. v. 
A. Kirchhoff. Stuttgart 1889, S. 5. 
5 K. Hassert: Topographische Aufnahmen in Montenegro. P. M. 1905, S. 203, 204. 
Eckert, Karten Wissenschaft. I. 16
	        
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