Die lineare Topographie.
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Bei der graphischen Entnahme aus magnetischen Karten hat man den Deklinations
wert für den Beobachtungsort durch rechnerisches Einschalten zwischen benachbarten
Isogonen zu entnehmen, vorausgesetzt, daß man sich ein Urteil über die Zuverlässig
keit der Karte auf Grund einiger Messungen gebildet hat. Stehen nur Karten altern
Ursprungs zur Verfügung, ist die jährliche Abnahme des Deklinationswertes zu be
rücksichtigen. Alle diese Karten geben infolge ihres sehr kleinen Maßstabes, 1 : 5 000 000
und kleiner, nur angenäherte Werte; auch sind die Eintragungen der Linien gleicher
Deklination vielfach nicht zuverlässig, da Störungsgebiete kaum oder zu grob be
rücksichtigt sind. Brauchbarer sind für graphische Ermittlungen Karten großem
Maßstabes, wie sie z. B. die preußische Landesaufnahme für heimische und benach
barte Gebiete in 1 : 300000 herausgegeben hat und neuerdings in 1 : 100000 heraus
gibt. 1
Wo Karten und sämtliche Angaben über magnetische Deklination fehlen, ist
es zunächst notwendig, den Meridian kennen zu lernen. Die Meridianlinie läßt sich
am einfachsten mit Hilfe des Sonnenlotes graphisch festlegen. Es ist das gleiche
Verfahren, das die Alten mit dem Schattenstab oder Gnomon ausübten. Beim Auf
zeichnen der Schattenmarken wird die Zeit auf etwa eine Minute genau abgelesen
und mit diesen Werten die Meridianverbesserung in Beziehung gebracht. 1 2 Kalt-
brunner sagt im „Beobachter“, daß im Laufe einer Beise die Mittagslinie mindestens
einmal ermittelt werden muß, um die wahre Nordsüdlinie zu erhalten, wozu der
Kompaß allein nicht genügt. 3 Mit Hilfe des Sonnenlotverfahrens läßt sich die Nord
südrichtung beliebigemal bequem ermitteln.
Die andern genäherten Methoden zur Festlegung des Meridians erfolgen durch
Beobachten des Polarsterns (die einfachste Methode), von Zirkumpolarsternen und
Polarstern und schließlich durch Beobachtung von Zirkumpolarsternen im Momente
der größten Digression. Letztere Methode bildet den Ersatz der Polarsternbeobachtung
auf der Südhalbkugel.
Die Breite ist nicht so schwierig wie den Meridian zu bestimmen. Auf jeden
Fall kann es nicht schaden, wenn der Reisende mit den einfachsten Verfahren, den
Meridian festzulegen, vertraut ist. 4 * * Kann er es selbst nicht, dann muß er sich bei
seinen Aufnahmen soviel wie möglich an gute astronomische Ortsbestimmungen
anlehnen. Jeder Geograph weiß, daß er bezüglich der Lage von Orten, Flüssen und
Seen in den noch wenig erforschten Erdteilen mit erheblichen Ungenauigkeiten zu
rechnen hat. Aber viele Fehler, von denen er später überrascht wird, wären von
Haus aus zu vermeiden. Wie falsch unsere Länderkarten sein können, beweist ein
Bericht, den Kapitän Lemaire über die Ergebnisse seiner zweijährigen Arbeiten
1 Die Blätter führen den Titel „Linien gleicher magnetischer Mißweisung, Epoche 1919, 5“.
Die Linien sind von 10 zu 10 Minuten gezogen. Jeder Karte ist ein Merkblatt über den Gebrauch der
Karten beigefügt.
2 Zur Umrechnung der Zeit in Bogengrade, Bogenminuten und Bogensekunden dienen folgende
Angaben:
l h (= 1 Zeitstunde) = 15° (Bogengrade), I o (Bogengrad) = 4 m (Zeitminuten),
l m (= 1 Zeitminute) = 15' (Bogenminuten), 1' (Bogenmin.) = 4 8 (Zeitsekund.),
l s (=1 Zeitsekunde) = 15" (Bogensekunden), 1" (Bogensekunde) = P/15 = 0,066 s (Zeitsekunden).
3 D. Kaltbrunner: Der Beobachter. Bearbeitet von E. Kollbrunner. Zürich 1882, S. 186.
4 S. Passarge mahnt in K. Keilhacks Lehrbuch der praktischen Geologie (3. Aufl. I. Stutt
gart 1916, S. 254), daß kein Geologe auf Forschungsreisen gehen soll, ohne sich mit den einfachsten
Instrumenten zur Vornahme astronomischer Ortsbestimmungen vertraut gemacht zu haben.