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Die Kartenaufnahme.
europäische Kulturform rechnet, getragen werden. In der Hauptsache sind es Ge
biete mit dünner Bevölkerung und extensiver Bodenkultur, und diese Gebiete sind
bekanntlich die ausgedehntesten innerhalb der Ökumene; von ihnen Karten zu be
sitzen, gehört zu den großen Bedürfnissen der Zeit.
Die Vermessung, wie sie in die Kolonialländer hinausgetragen wird, um Unter
lagen zur Konstruktion kleinmaßstabiger Karten (bis 1 : 100000) zu gewinnen, nennt
man schlechthin geographische Vermessung, geschieht sie nach einem einheit
lichen System über ein großes Gebiet hin, spricht man von geographischer Landes
vermessung (geographic survey). Großem Maßstäben wie 1 : 50000 oder 1 : 25000
begegnet man nur in Einzelfällen. 1 Die Krone der Vermessungsarbeiten gebührt
der geodätischen Vermessung. Damit ist nicht gesagt, daß die Tätigkeit des Geo
graphen von der geodätischen Landesvermessung ausgeschlossen sei; da er aber sein
Augenmerk bei der Erforschung eines Landes noch auf wesentlich andere Dinge als
auf die trigonometrische Aufnahme zu richten hat, wird er die feinem, langwierigen
Messungen, die ein besonderes Studium erfordern, gern dem Geodäten überlassen. Hat er
doch mit dem bereits genug zu tun, was ihm der Geodät aus seiner reichenlnstrumenten-
rüstkammer zum Aufnehmen überweist; und diese Instrumente, wie Theodolit,Tachymeter,
Meßtisch mit Kippregel usw. gebraucht der Geograph, wenn er das Land nicht bloß linear
durch Itinerare, sondern hauptsächlich durch Flächendeckung erschließen will. 1 2
114. Die topographischen Vorkenntnisse der Forschungsreisenden. Um topo
graphische Flächendeckung vornehmen zu können, ist es notwendig, sich die dazu
erforderlichen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten in der Handhabung der
geodätischen Instrumente und einige Gewandtheit im topographischen Zeichnen
bereits in der Heimat anzueignen. 3 Man muß wissen, welche Genauigkeit man mit
seinen Instrumenten erzielt, wie weit man sich auf sie verlassen kann. Dann wird
es auch möglich sein, sich Modifikationen des Auf nähme Verfahrens, zu denen das
aufzunehmende Gelände zwingt, ohne Schwierigkeit anzupassen. Dadurch entsteht
das Gefühl der Sicherheit, wodurch wissenschaftliche Arbeiten nur gewinnen können.
Es ist erstaunlich, wie sorglos manche Forschungsreisende gerade diesen Punkt ihrer
Ausrüstung behandelt haben, und wie bitter es sich nachher gerächt hat, wenn die
Messungen beginnen sollten und das Gelände ganz andere Verfahren erforderte,
als man sich erst einbildete, selbst bei dem Arbeiten auf große Entfernungen hin.
Nicht jeder hat das Glück wie W. Penck, beim Anfang seiner Aufnahmen einen so
tüchtigen Lehrmeister wie F. Graef, den Leiter der topographischen Abteilung in
der Dirección Gal. de Minas zur Seite zu haben, mit dem zuerst Aufnahmemethoden
und Ziele der kartographischen Darstellung durchgesprochen wurden, und der zuletzt
selbst tätigen Anteil an den Vermessungsarbeiten nahm. 4
1 Z. B. in Kiautschou die Karte des Lauschan in 1:50000, herausg. vom deutschen Reichs
marineamt. Die langjährigen Arbeiten der UsambaraVermessung der kaiserlichen Landmesser in
Deutsch-Ostafrika wurden provisorisch niedergelegt auf 10 Bl. in 1:25000 und in 1:50000. — Die
topographischen Neuaufnahmen, die sogen. District surveys, von Siam, seit 1909 im Gange, werden
in 1:25000 und 1:50000 publiziert.
2 Vgl. auch den Eingangsabschnitt dieses Hauptteils „Geograph und Geodät“.
3 P. Vogel: Aufnahmen des Reiseweges und des Geländes. Anleitung zu wissenschaftlichen
Beobachtungen auf Reisen. Herausg. v. G. v. Neumayer. 3. Aufl. Hannover 1906, S. 74, 75.
4 W. Penck: Topographische Aufnahmen am Südrand der Puna de Atacama (NW-Argentinien).
Z. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin. 1918, S. 193.