Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Kartenaufnahme. 
welch’ beide Arbeitsrichtungen bei der geographischen Landesvermessung nicht so 
scharf wie bei der europäischen Landesaufnahme, die bekanntlich von dem Prinzip 
des unabhängigen Nebeneinanderwirkens von Triangulation und topographischer 
Spezialaufnahme beherrscht wird, zu scheiden sind. 1 
Bei der geographischen Landesvermessung handelt es sich, wie Gast richtig 
bemerkt, nicht um die Arbeit eines Einzelnen, sondern um Massenarbeit. Infolge 
der verschiedenen Vorbildung und dem durch die verschiedengradige Widerstands 
fähigkeit den physischen Einflüssen gegenüber bedingten Wechsel des Personals ist 
es notwendig, an die individuelle Technik des Personals denkbar geringste Ansprüche 
zu stellen, d. h. mit andern Worten: die aufnehmenden Methoden so einfach wie 
möglich zu gestalten. Von dieser Überzeugung geleitet, stellt nun Gast folgende 
drei Punkte für ein geographisches Vermessungsprogramm zusammen: Ausführung 
von Stahlbandzügen, Schrittmesserzügen und Barometermessungen. Die Stahl 
bandzüge, die die im Flachland immer mißlich empfundene Triangulation ersetzen, 
müssen nach Möglichkeit gestreckt angelegt und in der Weise verknotet werden, 
„daß sich aus ihnen Netze von großen Dreiecken bilden lassen, in welchen jede Dreieck 
seite als durch einen Stahlbandzug indirekt gemessen auftritt“. Hier liegt gewisser 
maßen eine Triangulation ohne Winkelmessung vor, die sich durch die Verringerung 
des relativen Entfernungsfehlers auf große Strecken hin kennzeichnet. Die astro 
nomischen Ortsbestimmungen vermitteln den Gastschen Dreiecksnetzen lediglich 
die allgemeine Orientierung auf dem Erdsphäroid. 
Die Zugpunkte der Stahlbandzüge fallen mit charakteristischen Gelände- und 
Wegepunkten zusammen, und da die Höhenwinkel jedes Stahlbandzuges, dessen Seiten 
je nach der Geländeform verschiedene hundert Meter lang sein können, mit dem 
Höhenkreis des Theodolits vor- und rückwärts gemessen werden, erhält man mit 
jedem Zug ein geographisches Profil und zugleich wichtige Anhaltspunkte für die 
Höhenbestimmung und -darstellung. Von den Zugpunkten aus wird ausgiebig krokiert 
und nach geographisch bemerkenswerten Objekten gepeilt. 
Die Schrittmesserzüge zweigen sich von den Stahlbandzügen ab und verfolgen 
wichtigere Geländelinien, wie Wasserscheiden, Talsohlen, Kommunikationen usf. 
Im Verein mit den von den Zugpunkten auf genommenen Peilungen und Krokis liefern 
sie für die Flächendeckung der Karte das nötige Material, besonders wenn der Maß 
stab der Aufnahme kaum über 1 : 100000 hinausgeht. Die Barometermessungen 
haben den Zweck, die Höhenmessungen, die durch das trigonometrische Nivellement 
der Stahlbandzüge bereits angebahnt sind, zu ergänzen und zu verdichten. 
Das Programm, wie es Gast für die geographische Vermessung von Kolonial- 
und verwandten Ländern aufgestellt hat, wurde von der argentinischen Regierung 
angenommen und bei der zusammenhängenden geographischen Aufnahme (Original 
konstruktion und Krokierungen in 1 : 100000, Kartenmaßstab 1 : 200000) der Pro 
vinzen Entresios und Corrientes, des „argentinischen Mesopotamiens“, durchgeführt. 
Es hat die Probe auf seine Brauchbarkeit glänzend bestanden und läßt sich auf andere 
Gebiete, die eine verwandte Oberflächengestaltung wie die genannten argentinischen 
Provinzen besitzen, direkt anwenden und bei nicht verwandten Geländeformen mit 
kleinen Abänderungen. 
1 P. Gast: Geogr. Landesvermessung. P. M. 1911, I. S. 87, 143 — 145. — Von der argen 
tinischen Landesvermessung. Z. f. Verm.-W. Stuttgart 1913, S. 761 ff.
	        
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