Neuaufnahmen mit Fliegerbildern.
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punkte das Festpunktnetz zu verdichten? und bei Verzicht auf irdische Festpunkte
vollkommen neue Festpunkte zu gewinnen? Während an der Lösung der zweiten
Frage noch gearbeitet wird und viele an einen befriedigenden Ausweg überhaupt
nicht glauben, ist die Lösung der erstem so gut wie vollendet zu betrachten, wenn
auch die in Frage kommenden Verfahren noch nicht den höchsten Grad der Voll
kommenheit erreicht haben. Daß man ohne irdische Festpunkte bei den Neuaufnahmen
nicht auskommen könne, war man sich seit der Zeit bewußt, da man anfing, die Luft
bildaufnahmen auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Th. Scheimpflug,
der schon vor dem Kriege durch die nach ihm benannten Geräte am meisten
zur Vervollkommnung der Luftbildaufnahme beigetragen hat und von deren
Leistungen mehr erwartet als verwirklicht wurde, ist stojts von der Voraussetzung
ausgegangen, daß ein unanfechtbarer geometrischer Zusammenhang zwischen den
verschiedenen Aufnahmeorten des Luftfahrzeuges nur durch irdische Festpunkt-
bestimmung geschaffen wird 1 ; und der Begründer und Herausgeber des „Inter
nationalen Archivs für Photogrammetrie“, Dole^al in Wien, faßte in einem Vortrag
vor Fachleuten seine Anschauung über diese Frage in der Erklärung zusammen, daß
die Luftphotogrammetrie nur dann zu verwendbaren Resultaten führt, wenn sie
sich auf vorausgegangene geodätische Grundlagen, insbesondere Triangulierung,
stützen kann, und daß Bestrebungen, die ohne derartige Unterlagen unternommen
werden, kaum zu einem positiven Ergebnis führen dürften. Auch ein dritter kom
petenter Beurteiler, C. Pulfrich, kommt zu dem Schluß, daß bei aller Verfeinerung
der Apparate die Luftbildaufnahme niemals die Genauigkeit erreichen dürfte, die
die Messung von einem unverrückbar festen Standort aus auszeichnet. 1 2 Man muß
sich eben in dieser Hinsicht von vornherein bescheiden. Die Entwicklung der Luft
bildtechnik während des Krieges hat diese Anschauung führender Fachleute durchaus
bestätigt. 3
Einen mittelbaren Beweis dafür liefert die Stellung der irdischen Bildaufnahme,
insbesondere die Raumbildaufnahme (Stereophotogrammetrie) zur Triangulation.
Die Raumbildaufnahme hat sich gerade im Kriege sehr günstig entwickelt und be
tätigt. Aber obwohl sie im Gegensatz zur Luftbildaufnahme über fest aufstellbare
Geräte verfügt und deshalb eine wesentlich höhere Genauigkeit erzielt, hat sie es nach
wiederholten Versuchen aufgeben müssen, sich unabhängig von der Triangulierung
zu machen. Selbst sie vermag umfangreiche Flächen nur dann unanfechtbar zu
vermessen, wenn sie sich auf ein Netz von trigonometrischen Festpunkten stützen
kann, von deren Lage sie sogar eine höhere Genauigkeit voraussetzt, als sie behelfs
mäßig durchgeführte Triangulationen besitzen. Die Erfahrungen haben gelehrt,
daß in günstigem Gelände durch die Raumbildaufnahme, deren Standlinie tadellos
festgelegt ist, Punkte bis zu einer Entfernung von 16 km in ihrer Kartenlage mit
einem mittlern Punktfehler von 12 m bestimmt wurden.
1 Th. Scheimpflug: Die Herstellung von Karten und Plänen auf photographischem Wege.
Sitz.-B. d. k. k. Akad. d. Wiss. in Wien. 1907, S. 31, 32.
2 C. Pulfrich: Über Photogrammetrie aus.Luftfahrzeugen und die ihr dienenden Instrumente.
Jena 1919, S. 43, 46.
3 Der Geodät Paul Gast, mit dem ich während des Krieges längere Zeit zusammengearbeitet
habe, kam mit mir zu der gleichen Überzeugung, daß sich nirgends ein Ansatz zu einer Entwicklung
zeige, die die Unabhängigkeit der Luftbildaufnahmen von irdischen Festpunktbestimmungen als dankbar
erscheinen lassen könnte, wenigstens nicht für bereits vermessene Länder.