Neuaufnahmen mit Fliegerbildern,
279
wendigen Festpunkte aus der Luft geschehen kann. Man hat Methoden zur Fest
punktbestimmung aus der Luft mehrfach vorgeschlagen. So könnte man dadurch,
daß der Sonnenstand mit auf die photographische Platte gebracht wird, jede Auf
nahme in eine einfache geometrische Beziehung zur Erdachse bringen, und infolge
dessen irdische Marken, die auf verschiedenen, durch Vermittlung der Sonne in Zu
sammenhang gebrachten Aufnahmen abgebildet werden, in ihrer Lage zu den Auf
nahmeorten des Luftfahrzeuges bestimmen. Vorausgesetzt wird dabei, daß die gegen
seitige Entfernung einzelner dieser Marken im Gelände gemessen wird, damit der
Längenmaßstab jeder Einzelaufnahme gegeben werden kann. Auch wäre erforder
lich, jene Marken vor der Aufnahme so zu bezeichnen, daß sie auf der photographischen
Platte ohne Zweifel erkannt werden können. So oder in ähnlicher Weise ließen sich
vielleicht Festpunktbestimmungen aus der Luft ausführen. Solchen Spekulationen
geht auch S. Finsterwalder nach und kommt zu der Überzeugung, daß die Mög
lichkeit einer Lufttriangulation besteht. 1 Daß alle derartigen, theoretisch möglichen
Verfahren sehr umständliche Rechenarbeiten erfordern,' ist ohne weiteres klar, weil
ihnen im Gegensatz zu den Vermessungen auf der Erde die unmittelbare Beziehung
auf die Horizontale fehlt. Irdische Vermessungen lassen sich wegen dieser einfachen
Beziehung auf die Horizontale, die nur durch fest aufgestellte Geräte vermittelt
werden kann, nach den Regeln der ebenen Trigonometrie berechnen, Luftaufnahmen
dagegen nur im dreidimensionalen Raum.
Aber wenn schon die Umständlichkeit der rechnerischen Auswertung die Fest
punktbestimmung aus der Luft zu einer praktisch sehr schwierigen Aufgabe macht,
die zu lösen nur in Ausnahmefällen lohnt, versagt die Luftbildaufnahme, wenn von
der Festpunktbestimmung dieselbe Genauigkeit verlangt wird, wie sie irdische Tri
angulierungen ohne weiteres erreichen. Finsterwalder gibt selbst zu, daß bei einer
Lufttriangulation die Genauigkeit mindestens 50 fach geringer als bei der Boden
triangulation ist. Die Verwirklichung einer Lufttriangulation käme erst dann in
Frage, wenn für eine Aufnahme in unvermessenem Gelände die äußerste Schnelligkeit
geboten wäre.
Der eigentliche Grund der Unsicherheit, mit der sich Winkelgrößen auf photo
graphischen Platten ermitteln lassen, auch bei Verwendung der feinsten Geräte zur
Ausmessung der Platten, liegt darin, daß die Genauigkeit der photographischen
Winkelmessung hauptsächlich von der Länge der Brennweite abhängt, und zwar
derart, daß eine Kammer mehrere Meter lang sein müßte, wenn mit ihr Winkelgrößen
ebenso genau ermittelt werden sollten wie mit einem kleinen Landmeßtheodolit von
18 cm Kreisdurchmesser und einem Fernrohr von etwa 80 cm Länge. Dieser
Genauigkeitsgegensatz zwischen photogrammetrischer und unmittelbarer Winkel
messung ist der Natur dieser verschiedenen Meßverfahren eigentümlich und läßt sich
durch keinen technischen Fortschritt der Luftbildmessung beseitigen. Selbst wenn
man nicht davor zurückschrecken wollte, Kammern von so ungeheurn Ausmaßen
im Luftfahrzeug zu verwenden, würde man dennoch die erstrebte Genauigkeit nicht
erreichen, weil durch die große Länge der Kammer neue Fehlerquellen, wie die nicht
vollkommen feste, Verbindung zwischen Linse und Plattenebene, das Schwanken
1 S. Finsterwalder: Alte und neue Hilfsmittel der Landesvermessung. Festrede, geh. i. d.
öffentl. Sitzung der k. Akademie d. Wiss. am 15. November 1916. München 1917. — Den Gedanken
gang gibt kurz wieder O. Eggert i. d. Z. f. Verm.-W. 1920, S. 540, 541.