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Die Kartenaufnahme.
und damit auch Kosten erspart. Sie ist hervorragend geeignet, die topographische
Aufnahme eines Gebietes zu unterstützen und zu beschleunigen. In überschweng
lichen Worten haben Sehe impf lug 1 , besonders dessen Bruder Karl Scheim-
pflug 1 2 , Gasser 3 , Berget 4 von den Vorteilen der Luftaufnahme gesprochen und
geschrieben, obwohl sie sich nur auf wenige Proben des Scheimpflugschen Aufnahme
verfahrens stützten. Indessen muß man sich, wo man in der Lichtbildaufnahme
großer Länderkomplexe mit Ausnahme im Kriegsgelände keine Erfahrung hat, hüten,
wie auch Dolezal seinerzeit hervorhob, einen embryonalen Zustand im Aufnahme
wesen, in dem wir uns durch die neuen Lichtbildaufnahmeverfahren befinden, als
bahnbrechend und titanenhaft zu preisen, wodurch oft mehr geschadet als genützt
wird. Das ist aber sicher, daß bei der Auffrischung der amtlichen Kartenwerke die
Luftbildaufnahme einen wesentlichen Anteil haben wird. Wegen dieser zweifellosen
Vorzüge muß jede moderne Landesaufnahme, die mit den Fortschritten der Wissen
schaft Schritt halten will, die Luftbildaufnahme mit in ihr Arbeitsprogramm auf
nehmen; denn die Flugbildaufnahme ist ganz entschieden ein Teil der Landes
aufnahme und nicht des Flugwesens.
VI. Die Luftfahrer- oder Luftsehifferkarte und die praktischen Flugkarten.
141. Wesen und Entwicklung der Luftsehifferkarte. Die Herstellung einer
Luftfahrer- oder Luftsehifferkarte spielte in aeronautischen Kreisen ein bedeutende
Rolle. Niemals ist ein Kartenwerk mit dem Keim eines schnellem Todes als die
Flugkarte für Luftschiff er geboren worden. Im Hinblick darauf möchte es sich kaum
lohnen, auf die überstürzte Entwicklung des Flugkartenwesens einzugehen, wenn
sie nicht eine interessante und lehrreiche Episode in der Betrachtung kartographischer
Probleme bedeuten würde. Wohl ist der Zusammenhang mit den vorhergehenden
Erörterungen rein äußerlich, denn im Grunde genommen hat die Luftfahrerkarte
nichts mit der Aufnahme zu tun; indessen schließt sie sich wieder eng an die Luft
1 Th. Scheimpflug: Zur Kolonialvermessung aus der Vogelperspektive. S.-A. aus Nr. 41
des Frankfurter Wochenblattes „Die Mainbrücke“, vom 9. Oktober 1909. Hier sagt Scheimpflug,
daß die Karten einer Aufnahme von Deutsch- Südwestafrika mit Meßtisch und Kippregel in 1:25 000
etwa 250 Mill. M. bei einem Zeitaufwand von ungefähr 170 Jahren betragen. Nach seinem System
mit einem Lenkballon würde dieselbe Arbeit mit etwa 15 Mill. M. in 4—5 Jahren geleistet.
2 Auf S. 6, Anm. in M. Gassers „Studien zu einer aerogeodätischen Landesaufnahme“ (Z. d.
Vereins d. hohem bayrisch. Vermessungsbeamten. XVII. München 1913) lesen wir, daß Karl
Scheimpflug in dem Aufsatz „Österreichs Mitarbeit an der Weltvermessung“ die Angaben seines
verstorbenen Bruders um das 20fache übertrifft, in dem er sagt: „Mit dem Luftschiff kann die gesamte
Landesaufnahme von Marokko (800000 qkm = l x / 2 Deutschland) in etwa 3 Monaten vollendet sein,
und im Laufe eines Jahres könnten im sichern Atelier Kartenblätter von ganz Marokko vorbereitet
werden, auf denen der Reisende, der Ingenieur und der Unternehmer jede Höhenlage, jede Wasser
fläche und jeden Pflanzenstand abzulesen in der Lage wäre.“
3 M. Gasser, a. a. O., S. 7, schätzt die aerogeodätisclie Aufnahme von Bayern (76000 qkm)
in 1: 5000 auf 3 Jahre. — Das war i. Jahre 1913. Heute, mit den neuern Verfahren sieht die Sache
schon anders aus, u. der geschätzten Zeit dürfte man allmählich nahe kommen, vielleicht sie auch hier
und dort kürzen.
4 A. Berget, Professor der Geophysik an der Pariser Sorbonne, schätzte in einem Vortrag
in Brüssel im Mai 1911 die Scheimpflug sehe Aufnahme Afrikas auf 20 Jahre und die Kosten auf 20 bis
30 Mill. Franken, während sie bei den sonst üblichen Aufnahmeverfahren 200 Jahre und IV2 Milliarden
Franken beanspruchen würde; also ein Ersparnis an Zeit von 180 Jahren und an Kosten von 98%.