Der Maßstab.
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im Maßstab 1 : 86400 und andern Karten des 18. Jahrhunderts und früherer Zeiten
in bestimmtem Maßstabe reden, ist zu bedenken, daß diese Karten den Maßstab in
Bruchform noch nicht kannten, daß er ihnen erst später beigelegt worden ist.
In dem Nachforschen nach altern Bezeichnungen des Maßstabes in Bruchform
klopfen wir bei dem tüchtigen J. G. Lehmann nicht vergeblich an. Da, wo er in
seiner Anleitung zum richtigen Erkennen und genauen Abbilden der Erdoberfläche
in topographischen Karten- und Situationsplänen (Dresden 1812) das Kapitel der
Einteilung der Karten anschneidet, spricht er deutlich und klar von den Maßstäben
1:2000000, 1:200000, 1:100000, 1:20000 und 1:10000. Auf seinen Karten
habe ich diese Bezeichnungen nicht gefunden, da stehen nur Linear- (geographische
Meilen-) oder Transversalmaßstäbe.
Die erste Maßstabbezeichnung moderner Art, nicht in Zahlen, wohl in Worten
ausgedrückt, könnte man auf der ebenso seltenen wie berühmten Karte des Mer-
wedeflusses von Nie. Cruquius aus dem Jahre 1780 erblicken, worauf steht: „De
Tien Duysend Roeden van dese Kaart maken Een Rhynlandse Roede.“ 1 Die ersten
Maßstabbezeichnungen in Bruchform ausgedrückt fand ich auf dem berühmten
Oberreitschen Landatlas von Sachsen 1 2 , ferner im Britischen Museum auf einer
Karte aus dem Jahre 1827. 3 Oesfeld sagte 1841 ausdrücklich, daß jede Karte den
Maßstab enthalten müsse, „ausgedrückt im Längen Verhältnis zur Natur, sowie 2 ob
der gestochene Maßstab auch richtig beschrieben ist (welches sehr selten der Fall
ist)“. 4 Aus dem Dämmerungszustand neu sich bildender Maßstabbezeichnungen
gelangte man endlich um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu greifbaren Er
gebnissen. Stielers Handatlas schritt voran, und zwar mit der vierten Auflage
(88 Karten 1848). Über die Maßstabverhältnisse heißt es in dem entsprechenden
Vorwort, daß als Normalmaß das der Generalkarten der einzelnen europäischen
Staaten gilt, wobei 160 geographische Meilen die Länge von 1 Pariser Fuß geben,
„was einem Verhältnis zur wahren Größe wie 1 zu nahe 3 2 / 3 Millionen entspricht“.
Die Bruchform selbst ist nur zwei neuen Karten der Ausgabe beigefügt worden, dem
Plane von Wien in 1 : 75000 und der Karte vom Königreich beider Sizilien in 1 : 1 858500.
Wohl aber tragen die meisten Karten der in den sechziger Jahren erschienenen Neu
auflagen von Stielers „Schulatlas“ und „Kleinem Atlas der Deutschen Bundes
staaten“, verbessert und vermehrt durch Herrn. Berghaus und C. Vogel, die neue
Maßstabbezeichnung in Bruchform; in letzterin kehrt die Form öfters wieder: „Maß
stab = 1 : 1850000 der wahren Größe.“
Das Verjüngungsverhältnis der Karten in Bruchform 1/M wird langsam und
sicher Gemeingüt der geographisch gebildeten Welt. Um seine Einführung haben
sich deutsche Autoren besondere Verdienste erworben, wie die berühmten Mitarbeiter
1 Vgl. weiter üb. d. Maßstab der Karte von Cruquius § 251.
2 Auf dem Oberreitschen Landatlas von Sachsen (1821 — 1848) liest man: Maßstab zu 12000 Dres
dner Ellen oder 1 Sachs. Landvermessungsmeile reducirt auf 5 Dresdner Zoll oder \ ■ natürlicher
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Größe. (Von dem schönen Kartenwerke erschien eine Umdruckausgabe durch den Verein für sächsische
Volkskunde 1912, Umdruck von Paul Herrmann, Dresden.)
3 Ph. van der Maelen: Atlas Universel de Géographie physique, politique, statistique et
minéralogique sur l’échelle de gj^ggg ou 4’une ligne par 1900 toisse. Brüssel 1827.
4 In der Einleitung zu C. W. Oesfeld: Der Karten-Freund oder Anzeige und Beurteilung neu
erschienener Land-und Seekarten und Grundrisse. Heft 1. Nr. 1—12. Berlin 1841. Heft 2, Nr. 1—12.
Berlin 1844.