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Kartenschrift und Kartennamen.
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Die Generalisierung schärft das Auge; und wer mit kartographischem Auge
sehen gelernt hat, wird leicht erkennen, welcher Wert einer generalisierten Dar
stellung innewohnt. Bei allem Wert der generalisierten Karte muß jedoch vor dem
Generalisieren bis zum Äußersten gewarnt werden. Manche geographische Bedeutung
wohnt bloß in speziellen Begriffen, und wenn diese auf Karten kleinern Maßstabes nicht
mehr darstellbar sind, dann lieber ganz auf die Karte verzichten. 1 So sind sehr klein-
maßstabige geologische oder wirtschaftsgeographische Übersichtskarten für *den
wissenschaftlich arbeitenden Geographen nur bedingt wertvoll, wenn nicht ganz
überflüssig.
Auf keinem Gebiet der Kartographie ist mehr Einsicht dem Kartenhersteller
und mehr Vorsicht dem Kartenbenutzer geboten als auf dem der Generalisierung.
Diese ist gemeinhin das Kriterium guter und brauchbarer Karten. Also Maßstab,
Kartenfirma sind noch nicht für die Güte der Karte maßgebend. So wäre es irr
tümlich, anzunehmen, daß die offiziellen topographischen Übersichtskarten und
die von seiten der Regierung herausgegebenen Karten kleinern Maßstabs durchaus
auch die best generalisierten sein müßten. Gerade dieser Punkt bedarf noch einiger
aufklärender Worte. 1 2 Wie die Topographen der verschiedenen Landesaufnahmen
jahraus, jahrein stets in einem ganz bestimmten Maßstab aufnehmen, und es ihnen
schwer fällt, plötzlich in andern Maßstäben zu arbeiten 3 , so auch die Kartographen
der Landesaufnahmen, die sich mit der kartographischen Verarbeitung des topo
graphischen Aufnahmematerials befassen. Die Landesaufnahmen und andere
Regierungsinstitute, die Karten aufnehmen, leiden an chronischem Mangel gut ge
schulter Kartenzeichner für chorographische Karten und topographische Übersichts
karten kleinern Maßstabes. Darum überläßt man die hierhergehörige Arbeit zumeist
Privatanstalten. Und doch liegt es im Staatsinteresse, genaue, gute und schöne
Übersichtskarten von der Heimat sowohl wie von den Kolonien zu haben. Im Inter
esse der Vaterlandsliebe sowohl wie des Unterrichts müßte jede Regierung neben
ihrem Korps topographischer Zeichner einen Stab gut geschulter General- und Land
kartenzeichner besitzen oder sich nach dieser Richtung hin mehr als bisher mit be
währten, leistungsfähigen Privatanstalten in Verbindung setzen. 4 Hier haben neue
Zeiten neue und dankenswerte Aufgaben zu erfüllen.
IV. Kartenschrift und Kartennamen.
180. Die Kartenschrift und ihre Entwicklung. Verschiedene Autoren fassen
Kartenschrift und Kartennamen als identisch auf. Ich halte beides prinzipiell aus
einander. Beide sind hinsichtlich ihres Wertes als Kartenbestandteil ein viel um
strittenes Objekt. Wenn wir die Entwicklung der Karten bis zu ihren Uranfängen
1 Vgl. A. Hettner, a. a. O., S. 22.
2 Vgl. oben (S. 355) M. Gassers Untersuchung über den Inhalt der Karten 1: 100000, 1: 200000
u. 1: 300000, die noch durch viele andere ähnliche Vergleiche zu prüfen und zu erweitern wäre.
3 So hat es sich im Weltkriege gezeigt, daß Topographen, die ein bis zwei Jahrzehnte in dem
Maßstabe 1: 25000 aufgenommen haben, mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, wenn sie plötzlich
in 1: 10000 aufnehmen sollten. Hinwiederum konnten die, die von Haus aus die Aufnahmen in 1: 5000
oder 1: 10000 gewohnt waren, zunächst nicht gut in 1:25000 arbeiten.
4 Vgl. H. Habenicht: Atlas Colonial Portugues, edi^ao reduzida. Ministerio da Marinha e
Ultramar, CommissSo de Cartographia. P. M. 1904. LB., S. 159.
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