Kartenschrift und Kartennamen.
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Die offiziellen Kartenwerke lassen nicht minder eine Entwicklung der Karten-
schrift erkennen. So hat z. B. auf dem zuletzt herausgegebenen großem offiziellen
Kartenwerke, auf der Topographischen Übersichtskarte des Deutschen Reichs
in 1 : 200000, die Schrift trotz des kleinern Maßstabes gegenüber den Meßtischblättern
und der Karte des Deutschen Reiches an Schönheit und Klarheit gewonnen. Selbst
auf den englischen Kartenwerken des vergangenen Jahrhunderts kann man einen
kleinen Fortschritt in der Schrift beobachten, insofern in den letzten Jahrzehnten
die Schrift nicht so zart wie ehedem gehalten wird und etwas mehr Nachdruck erhält.
Sonst unterscheiden sich die guten englischen Kartenschriften von heute kaum von
denen vor achtzig und mehr Jahren. Nachdem sich der Engländer im Anfang des
19. Jahrhunderts eine elegante, zarte Antiqua angewöhnt hatte, entsprach es seinem
konservativen Charakter, die Schrift möglichst beizubehalten und wenig zu ver
ändern. Es ist ein Genuß, die Karten, die aus der großen geographischen Anstalt
von John Bartholomew in Edinburgh hervorgegangen sind, auch nach der Schrift
seite zu betrachten. Trotz der Kleinheit, mit der viele Namen geschrieben sind,
kann man sie gut lesen. 1 Die Nordamerikaner, die von England die Kartenschrift
geerbt haben, zeigen schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts Karten mit sauberer,
eleganter Schrift, wie auch die Franzosen. Das eigentümliche Gepräge, das die Öster
reicher ihren Generalstabskarten zu geben verstehen, drückt sich insbesondere bei
der Anwendung der Schrift aus, die der Schrift der deutschen Generalstabskarten
gegenüber in Gattung, Größe und Haltung verschieden und im allgemeinen etwas
größer und in den Haarstrichen stärker gehalten ist, was man vom Gesichtspunkt
der leichtern Lesbarkeit als einen Vorzug anerkennen muß, allerdings auf Kosten der
Namengebung bzw. Namenunterdrückung für verschiedene Objekte, damit die Karte
nicht überladen wird.
182. Antiqua und Fraktur. Die Antiqua beginnt die Kartenschrift erst zu be
herrschen, als G. Mercator, der zu s’Hertogenbosch im Hause der Brüder vom
gemeinsamen Leben unter Georg Marcopedius seine Vorbildung für die Universität
genoß 1 2 , von den Brüdern, die angesehene Kalligraphen waren, für die lateinische
Kursivschrift so begeistert worden war, daß er im Jahre 1540 zu Löwen ein kleines
Heft von 27 Quartblättern Umfang herausgab: „Literarum latinarum, quas Italicas
cursoriasque vocant, scribendarum ratio.“ Dadurch wurde Mercator ein eifriger
Anwalt der Kursivschrift gegenüber der sonst auch üblichen Frakturschrift. Seinem
Einfluß und Vorbild ist es zuzuschreiben, daß in Deutschland für die Karten seit
der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die lateinische Schrift ausschließlich in
Anwendung gekommen ist. Zu den Zeiten Mercators tritt die deutsche Fraktur viel
fach verschnörkelt oder klobig im Druck auf, daß Mercator die lateinische Kursiv
schrift als eine wesentlich klarere Schrift empfand, die der Lesbarkeit des Karten
bildes, das durch allerhand Linien und Signaturen schon an sich reich belastet ist,
zugute kam. 3 Zu Mercators Zeiten finden wir noch äußerlich kerndeutsche Karten,
1 Ein Muster dieser Art ist z. B. die „Orographical map of Scotland“ in 1: 633600. Vor allem
aber vgl. man „The Survey-Atlas of England & Wales“, hg. 1903 von J. G. Bartholomew in Edin
burgh.
2 W. Wolkenhauer: Aus der Geschichte der Kartographie. Deutsche Geogr. Bl. XXXIII.
Bremen 1910, S. 240.
3 Was die deutsche Fraktur damals zu viel hatte, hat sie in den achtziger und neunziger Jahren
des 19. Jahrh. zuweilen auch heute noch zu wenig. 1893 lesen wir in ,JDen Grenzboten“, IV, S. 335: