Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Kartenschrift und Kartennamen. 
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ist. Dadurch jedoch, daß sie die glückliche Verbindung von Karte und Buch her 
stellt, erwächst der Geographie in der Karte ein Hilfsmittel, wie es andere Wissen 
schaften nicht haben. Deshalb das Streben anderer Disziplinen, sich ein derartiges 
Hilfsmittel wie die Karte zu schaffen, wie wir es bei den statistischen Karten der 
Nationalökonomie sehen oder sogar bei rein praktischen Betrieben. 1 
186. Die stumme Karte. Infolge vorstehender Erwägungen lasse auch ich die 
sog. „stumme“ oder „blinde“ Karte nur bedingt gelten, so in didaktischer Beziehung, 
höchstens noch in ästhetischer. Es steht außer allem Zweifel, daß der brillante Ein 
druck eines Kartenbildes durch das gänzliche Fehlen der Schrift gehoben wird; und 
es ist nur zu bedauern, daß Abdrücke unserer guten und gangbarsten Karten „avant 
la lettre“ nicht publiziert werden (zu Studienzwecken!). Finanzielle Gründe, die 
für die Herausgabe stummer Karten ausschlaggebend wären 1 2 3 , bestehen heutigen 
Tages kaum noch. Mit den genannten Einschränkungen ist der Wert abgetan. Auch 
H. Wagner redet ihr nicht das Wort. 2 Der Standpunkt ist überwundep, daß der 
stummen Schulwandkarte die Zukunft gehöre. Alsdann dürften die zahlreichen, 
mit Namen bedeckten Wandkarten der großen Kartenfirmen des In- und Auslandes 
in den letzten 10—20 Jahren, der Hauptveröffentlichungszeit von Wandkarten, nicht 
erschienen sein. Coordes, ein namhafter Schulgeograph, trat seinerzeit warm für 
die stumme Karte ein. 4 Gegen ihn wandte sich bereits der praktische Richard Leh 
mann 5 , und dessen Vorschlag ist genugsam gewürdigt worden, die Schrift der Wand 
karten im allgemeinen nur so groß zu halten, daß die Namen in der Nähe deutlich 
lesbar sind und durch ungewöhnliche Größe und ungeschickte Stellung nicht die 
Klarheit des Kartenbildes beeinträchtigen. Auch K. Peucker wendet sich gegen 
die stumme Karte; „die Schrift gehört zur Karte, wie die Sprache zum Menschen“. 6 
Noch einmal flammte der Streit um die stumme Schulwandkarte auf, als 1901 
H. Harms mit seinem neuen stummen Schulatlas und der Behauptung, daß die Namen 
in der Schülerhandkarte durchaus schädlich sind, auf den Plan trat. 7 Der heftigste 
Gegner entstand ihm in dem namhaften Schulmethodiker H. Matzat. Über die ganze 
Angelegenheit ist man bald zur Tagesordnung übergegangen, und die Schulhand- 
und -Wandkarte mit Namen beherrscht nach wie vor das schulkartographische Feld. 
Die ersten Beispiele stummer Karten für Lehrzwecke weisen uns auf das 17. Jahr 
hundert zurück, wo Johann Strubius, Rektor zu Hannover, eine Karte herausgab, 
in der die Ortsnamen, die aus anderen Karten bereits erlernt waren, durch Zahlen 
ersetzt, um dadurch die „Profectus“ der Lernenden zu erkennen. 8 1778 zeichnete 
1 Wenn sich z. B. eine bedeutende Feuer- oder Lebensversicherungsgesellschaft auf eine groß- 
maßstabige Karte ihre Generalagenturbereiche flächenhaft aufträgt u. die Sitze der Agenturen be 
sonders namhaft macht. 
2 V. Haardt von Hartenthurn: Die Herstellung von Schulwandkarten. Verhandl. des 
IV. Deutsch. Geographentages zu München. Berlin 1884, S. 127. 
3 H. Wagner: Lehrbuch a. a. 0., S. 239. 
4 G. Coordes: Die Anforderungen der Schule an die Landkarten. Braunschweig 1885, S. 16. 
5 B. Lehmann: Vorlesungen über Hilfsmittel und Methode des geographischen Unterrichts. 
Halle a. S. 1894, S. 182, Anm. 
6 K. Peucker: Drei Thesen zum Ausbau der theoretischen Kartographie. G. Z. 1902, S. 208. 
7 H. Harms: Der Schulatlas, die Schulwandkarte und der geographische Unterricht. 2. Aufl. 
Braunschweig und Leipzig 1901, S. 18. 
8 Weitere Nachfolger von Strubius gibt E. D. Hauber auf S. 47 (Anmerk.) seiner Schrift 
„Versuch einer umständlichen Historie der Land-Charten.“ Ulm 1724.
	        
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