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Die Landkarte und ihr Lageplan.
Fr. X. Baraga eine stumme Übersichtskarte von Krain. 1 Eine beachtenswerte
stumme Karte für Lehrzwecke gaben M. Flurl und J. Pallhausen in der Wirtschafts
karte von Bayern 1787. Ob hier die Weglassung der Ortsnamen aus rein didak
tischen Gründen erfolgte, mag dahingestellt bleiben; in die Karte konnten schwerlich
noch Namen für die Wohnstätten aufgenommen werden, da sie bei dem kleinen
Maßstab mit wirtschaftsgeographischen Signaturen sowieso schon überladen war. 1 2
187. Die halbstumme Karte. Auf oro-hydrographischen Karten die Ortsnamen
durch den Anfangsbuchstaben anzudeuten, finden wir noch dann und wann auf
neuern Karten. 3 Man bezeichnet dies Verfahren fälschlich als die „Manier E. v. Sy-
dows“, der sie um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts in seinem Oro-hydro-
graphischen Atlas anwandte. 4 Bei Homann in Nürnberg gab J. Hübner (der Vater)
am Anfang des 18. Jahrhunderts einen Atlas Methodicus heraus, bestehend aus
18 Generalkarten kleinen Formats, auf denen die merkwürdigsten Orte mit ihren
Initialbuchstaben bezeichnet sind. „Es sind Propier-Charten, daraus ein Lehr
meister seinen Untergebenen, oder auch ein Vater sein Kind examinieren, und also
hinter der Wahrheit kommen kann, ob sie in der geographischen Stunde ,ichts oder
nichts' gelernt haben.“ 5 Auch sei nicht übersehen, daß in derselben kartographischen
Anstalt, J. Perthes in Gotha, wo E. v. Sydow arbeitete, Stielers Handatlas seit Anfang
des 19. Jahrhunderts in fortwährend verbesserten und erweiterten Auflagen erschien
und auf seinen Übersichtskarten der Flußgebiete und Höhenzüge in den ersten Auf
lagen die Orte mit einem oder zwei, selten drei Anfangsbuchstaben verzeichnete. 6
All die auf diese Weise sich präsentierenden Karten nenne ich halbstumme Karten.
188. Das geographische Moment der Kartenschrift. Ihre Bedeutung als Ersatz
für Signaturen. Wie die Kartenschrift in der Namenbezeichnung gehandhabt wird,
wie sie sich der Karte anzupassen strebt, wie sie dadurch ihren harten Charakter
als Buchschrift mildert, das alles ist ein Beweis dafür, daß sie eine Art Verwendung
gefunden, die sie ursprünglich nicht hatte, daß sie mithin, wie ich oben bereits an
deutete, etwas Geographisches gewonnen hat und sie als ein behelfsmäßiges karto
1 Erschienen in Lubaci (Laibach). [U.-Bi. Göttingen.]
2 Von ein und denselben methodischenErwägungen getragen finden sich, nur durch verschiedene
Zeitintervalle getrennt, immer wieder ähnliche Karten. U. a. vgl. man Jean Palairet: Atlas Métho
dique composé pour l’usage de son altesse sérénissime monseigneur le prince d’Orange et de Nassau,
London 1755, worinnen eine Europakarte nur mit Ländernamen, die andere nur mit den Hauptstädten
(je eine für ein Land), die dritte mit den Plußnamen und die vierte mit der politischen Einteilung der
Einzelländer nach Provinzen gegeben ist; ferner Collins’ construktive Maps, London 1884; C. Raaz:
Reliefatlas über alle Teile der Erde, Berlin 1869; H. Haack: Kleiner Deutscher Lernatlas; Gotha s. a.;
Philips Model-Atlas, London s. a. (auf der einen Seite des Atlas nur die Reliefkarte mit Flüssen,
auf der andern nur politische Karte mit Flüssen); u. v. a. m.
3 Wir finden z.B. die Manier auf einigen Karten der E. Debesschen Schulatlanten, in Haacks
kleinem deutschen Schüleratlas u. i. a. m.
4 E. v. Sydows Atlas enthält 25 Boden- u. Gewässerkarten üb. alle Teile der Erde. Gotha 1856.
5 J. Hübner: Museum geographicum, d. i. ein Verzeichnis der besten Landkarten. Nebst einem
Vorschläge, wie daraus allerhand Atlanten können gemacht werden. Viel vermehrter fortges .... von
J. Hübner (d. Sohne). Hamburg 1746.
6 Die mir vorliegende Ausgabe von Stielers Handtatlas aus d. J. 1831 enthält derartig be-
zeichnete Karten: Nr. 11, Europa zur Übersicht der Flußgebiete und Höhenzüge, entw. u. gez. v.
Ad. St. 1819, und Nr. 18, Fluß- und Bergkarte von Deutschland und den anliegenden Ländern, entw.
u. gez. v. Ad. St. 1820.