Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

Kartenschrift und Kartennamen. 
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graphisches Darstellungsmittel betrachtet werden muß. Man darf nicht zu viel von 
ihr verlangen und sie etwa als ein Mittel wirksamer sichtbarer Zusammenfassung 
für Unterbegriffe ansehen. Das will sie nicht und steht ihr auch nicht zu. Ebenso 
will sie keine Raumlagen bestimmt begrenzen, sie benennt nur bereits vorhandene 
Raumlagen. 
Die Namenbezeichnung wird direkt als kartographisches Darstellungsmittel 
gebraucht, indem man die Bezeichnung „Wald“ an Stelle der Waldsignatur setzt. 
Ohne Signatur oder Flächenkolorit werden auf der Karte Völkernamen verzeichnet, 
in Wirtschaftslandschaften die Namen der betreffenden Haustiere oder Nahrungs 
pflanzen oder nutzbaren Mineralien. In der Hauptsache sind es mehr Bezeichnungen 
aus dem Gebiete der Kulturgeographie, die man ohne Signatur in die Karten ein 
schreibt. Ein Grund dieser Erscheinung liegt darin, daß man bis jetzt vielfach keine 
geeigneten kartographischen Darstellungsmittel besitzt und das Kartenbild nicht 
überladen will. Lediglich in der Vertretung der Signatur durch den Kartennamen 
stimme ich mit E. Friedrich überein, wenn er sagt, daß die Schrift kein kartographisches 
Darstellungsmittel und als solches verwandt, nur ein mangelhaftes Ausdrucksmittel 
sei. Sofern es erlaubt ist, einen Vergleich aus einem ganz andern Gebiete herbei 
zuziehen, verhält sich der ohne allen Anhalt für sich allein bestehende Kartenname 
zu dem wirklichen in Signatur oder Flächenkolorit dargestellten Gegenstände wie 
die alte Shakespearesche Bühnenausstattung, wo die gepfählte Tafel mit der In 
schrift „Wald“ einen Wald oder der Inschrift „Schloß“ ein Schloß usw. darstellte, 
zur modernen Bühnenszenerie. 
189. Auswahl und Stellung der Namen. Zweck und Absicht der Karte und nicht 
zum geringsten der Maßstab bedingen die Auswahl der Kartennamen. Der Karten 
entwurf muß, wie mehrmals hier betont wurde, so getroffen werden, daß alle Teile 
der Karte einschließlich Schrift harmonisch ineinander passen. Der Kartograph 
neigt dazu, die Karte mit Namen zu überfüllen. So schön die Karten in den modernen 
Handatlanten sind, so leiden doch viele von ihnen an zu großer Namenfülle. Nicht 
immer läßt sich erkennen, daß der Kartograph die Bedeutung der Orte richtig ab 
geschätzt hat; sie darf nur allgemein, nicht lokal sein. „Die Grenze für diese Unter 
scheidung finden“, sagt H. Wagner 1 , „heißt in betreff dieser Einzelfrage der Orts 
auswahl das wissenschaftliche Material ebenso beherrschen wie die Technik des Karten 
zeichnens. Vergleicht man unter diesem Gesichtspunkt die Spezialkarten unserer 
Handatlanten, so sind sie meist weit von solchen Anforderungen entfernt, vielmehr 
suchen sie sich gegenseitig in der Zahl mechanisch auf getragener Wohnplätze zu 
überbieten.“ 1 2 Nicht zu verkennen ist, daß daran meist die ganze Anlage (und der 
Wunsch des Zeitungslesers!) Schuld ist. Zunächst wird ein weit verästeltes Fluß 
netz ausgearbeitet, dieses zieht wieder reichlichere orographische Elemente nach sich 
und weiterhin reichlichere Wiedergabe der Verkehrswege und Ortszeichen. Die 
Überfülle ist da und ungern streicht der Kartograph Elemente aus seiner Karte, 
die er erst mühsam erarbeitet hat. Berühmt wegen ihrer eleganten Schrift für Ort 
1 H. Wagner: Lehrbuch, a. a. 0., S. 886. 
2 Man vgl. daraufhin in Andrees allgemeinem Handatlas (6.Aufl. Bielefeld u. Leipzig 1914) 
S. 51, 52, die Provinz Schlesien in 1: 750000 u. in gleichem Maßstabe S. 57, 58 die westliche Hälfte 
der Karte der Provinz Sachsen und Herzogtum Anhalt und S. 63, 64 den mittlern u. westlichen Teil 
von Rheinland und Westfalen.
	        
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