Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Lageplan. 
mittel. Sie wurde deshalb durch einen kräftigem Farbenton, entweder in der Nuance 
des Meeres 1 oder durch eine ganz abstechende Farbe hervorgehoben; so finden sich 
auf vielen Portulankarten und auch Inkunabeln die Küsten mit besonderer Liebe 
in Blau, Rot oder Gold ausgemalt. Im 16. und 17. Jahrhundert hatten es die Karten 
verleger bald heraus, daß das bunte Aussehen der Karte die Kauflust beim Publikum 
erhöhte. Für eine kaufkräftige Karte wurde leider nur zu oft das Flächen- oder auch 
Randkolorit und weniger der gediegene Inhalt zur Vorbedingung (s. § 8). Das 
Handkolorit, selbst wenn es mit Schablonen geschah, war eine umständliche und 
kostspielige Sache. Den Farbendruck kannte man noch nicht in der Renaissance 
und folgenden Zeit. Darum mußten Kupferstich und Holzschnitt nach Ausdrucks 
formen zur Kenntlichmachung von Land und Wasser suchen. Für die Ausfüllung 
der Landräume hatte man Gebirge, Flüsse, Städte, Menschen, Tiere, Bäume, Landes 
wappen und -fahnen u. a. m. zur Verfügung. Für das Meer war die dingliche Aus 
stattung nicht so leicht. Wohl dienten allerhand Seeungeheuer und Fahrzeuge dazu, 
das Meer zu beleben * 1 2 , aber damit war noch keine Zeichnung des Meeres gegeben. 
Die Naturbeobachtung kam ihr zu Hilfe. Man zeichnete die Wellen und hatte damit 
eine brauchbare Meeressignatur, geeignet sowohl für den Kupferstich wie für den 
Holzschnitt. Eine der ältern Karten bringt die Wellen in Zickzacklinien ge 
zeichnet 3 ; die richtige Wellendarstellung tritt uns auch noch ungeschickt entgegen 4 , 
auf hell blauem Untergrund 2—3 mm breite Schlangenlinien 
Wesentlich besser ist die Meereswellenzeichnung bei Marino Sanudo 5 , Ptolemäus 6 , 
Gastaldo 7 , Ortelius 8 , Mercator 9 u. a. 10 11 , auch auf Seekarten. 11 Die Wellenberge werden 
(1500) haben das Rote Meer hochrot ausgemalt. Auf einem Pergament aus dem Jahre 1603 sah ich 
im Serv. Hydrogr. zu Paris eine große Weltkarte im Maßstab ca. 1: 20000000, auf der das Rote Meer 
gleichfalls rot ausgemalt war. 
1 Auf der Weltkarte von Vopell, a. a. O., sind die Küsten dunkelblaugrün umrahmt. — Desgl. 
sind die Küsten auf der altem spanischen Weltkarte von 1527, mutmaßlich eine Arbeit Fernando 
Colons, eines Sohnes von Chr. Columbus grün illuminiert. 
2 Vgl. u. a. Sim. Grynaeus, Novus orbis. Basel 1532. In A. E. Nordenskiöld: Facsimile- 
Atlas. Stockholm 1889. T. XLII. 
3 Die älteste Karte mit Wellendarstellung ist ein primitives Weltbild des 11. Jahrh. aus einem 
Manuskript in St. Omer (J. Lelewel: Géographie du moyen âge, Atlas, Bruxelles 1850, Bl. VII, 
Karte 27); auf diesem Radkartenfragment werden die Kontinente und Inseln von zickzackförmigen 
Linien umgeben, die zuletzt die gesamten Meeresflächen ausfüllen. Diese Art Meeresdarstellung wieder 
holt sich auf verschiedenen Radkarten, vgl. Lelewels Atlas. 
4 Vgl. Les monuments de la géographie des bibliothèques de Belgique. Cartes de l’Europe 1480 
bis 1485; 4 cartes en 8 feuilles. Text explicatio par Chr. Ruelens. Brüssel 1887. 
5 Weltkarte zu Beginn des 14. Jahrh. von Marino Sanudo. Nordenskiöld: Periplus. Stock 
holm 1897, S. 57. 
6 La geografia di Claudio Ptolemaeo, Ventiis 1548. Nordenskiöld: Periplus. S. 142, 143. 
7 G. Gastaldo: Isola délia Sicilia. Venetia 1545. Vgl. auch Remarkable maps of the XV., 
XVI. and XVII. centuries, by Frederik Müller & Ci., Amsterdam 1894—97. Teil IV. Vavassor’s 
map of the world. Venice, between 1530—1550. 
8 Ortelius: Tlieatrum orbis 1570. 
9 Gerardi Mercartoris Atlas sive Cosmographicae . . . . J. Hondius, Amsterdam 1619. 4. Ausg. 
10 Auf der Karte von Flandern vom Jahre 1538 befinden sich die zart mattgrün gefärbten Fluten 
der Nordsee in sanfter Wellenbewegung; die für jene Zeit üblichen fabelhaften Seetiere fehlen. Olaus 
Magnus bringt auf seiner Karte von Skandinavien (Rom 1572; Nordenskiöld: Facsimile-Atlas, S. 59) 
flache Meereswellen, belebt von Schiffen und Meeresungeheuern. 
11 Vgl. Wagner (L. J. Waghenaer): Spieghel der Zeevaerdt. Leyden 1548.
	        
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