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Die Landkarte und ihr Lageplan.
der Siedelungen völlige Klarheit schafft. Das kann die Signatur nicht. Und trotz
dem kann diese mehr leisten, als was sie beim ersten Augenschein vermuten läßt.
Das hat 0. Schlüter mit seiner Skala der Siedelungsformen bewiesen, nach der er
die in einer Richtung verlaufende Erstreckung der Reihen-, Straßen- und Gassen
dörfer durch lange dicke Striche darstellt und die zweite der ursprünglichen An
lageform durch zeichnerisch veränderte Ringe, einerseits für echte Rundlinge und
Platzdörfer und andererseits für Haufendörfer. 1
216. Die Verkehrswege und ihr Symbol. Die Orte der Karte gehören zu den
ältesten Elementen des Kartenhildes. Daß sie durch Wege und Straßen miteinander
verbunden waren, erschien den Alten als eine selbstverständliche Sache, die auf der
Karte besonders anzudeuten nicht notwendig war; die Wege hätten schließlich das
an und für sich nicht allzu große Kartenbild der damaligen Zeit nur belastet und
kaum künstlerisch erhöht. Abgesehen von einigen wichtigen Staatsstraßen waren
die Wege nicht ausgebaut und größtenteils in der Regenperiode nicht passierbar,
wie z. B. heute noch viele Straßen Rußlands. Sie tragen weder äußerlich Impo
nierendes noch innerlich Zwingendes an sich, was zu ihrer Darstellung gereizt hätte.
Alte Stadtpläne und verwandte kartographische Gebilde lassen Straßenzüge er
kennen, doch lag in der Darstellung an sich wenig System.
Da der Verkehrskarte eine eingehendere Erörterung gewidmet ist 1 2 , will ich
mich hier kurz fassen und mehr auf Grundsätzliches beschränken. Für die Verkehrs
wege war von vornherein das gegebene Symbol die Linie oder, durch die (paarigen)
Wagengleise veranlaßt, die Doppellinie. Die Peutingersche Tafel aus dem 4. Jahr
hundert ist die erste Wegekarte, die die einzelnen Orte durch rote gerade Linien nicht
direkt, sondern mit Einlage kleiner Knickungen verbindet. Die direkte Verknüpfung
der Städte durch die starre gerade Doppellinie sehen wir auf spätem Reisekarten,
wie auf dem Itinerar von Matthäus Paris aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, das
von London nach Apulien führt. Diese Art der Wegebezeichnung hat sich seitdem
nicht verloren. Daneben kommen gelegentlich auch andere Formen vor. Auf La-
freris Melita Insula, Rom 1551, kam es bei den Wegedoppellinien mehr auf den
schönen Schwung als auf die Richtigkeit an.
Die Wege wurden nicht bloß in geschlossenen Linien dargestellt, sondern auch
in einfachen und doppelten Punktreihen. Diese Methode der Darstellung hat sich
bis zur Gegenwart erhalten. Heute wissen wir, daß, sobald auf den Karten eine
punktierte oder gestrichelte Wegelinie erscheint, ein Neben-, ein Fußweg oder eine
Gemeindestraße ohne festen Unterbau veranschaulicht wird. Von diesem qualitativen
Unterscheidungsmoment wußte die ältere Karte noch nichts. 3 Sinnig weiß Etzlaub
die Punktlinie dazu zu benutzen, mit den Punkten die Entfernungen in Meilen
zwischen den einzelnen Orten auszudrücken — von Punkt zu Punkt je eine geo
graphische Meile —, wie er es auf den sog. ,,Rom-Wegkarten“ um 1500 getan hat,
1 Haufendörfer mit und ohne erkennbaren rundlichen Kern, Haufendörfer von unregelmäßiger
strahlenförmiger Anlage und Haufendörfer mit gradlinig rechtwinkligem Grundriß. Vgl. O. Schlüter:
Die Siedelungen im nordöstlichen Thüringen. Berlin 1903. Karte 6.
2 Im II. Bande der „Kartenwissenschaft“.
3 Nur auf verschiedenen Karten in dem großen Atlas von Reimer Ottens, Amsterdam 1703
bis 1709, habe ich gefunden, daß die Hauptstraßen mit Doppellinien verzeichnet sind, dagegen weniger
wichtige Straßen mit doppelter, in Punkte aufgelöster Linie.