Allgemein Methodisches und Kritisches.
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denen man von vornherein mit einem gewissen Vertrauen begegnet, bei Neuauflagen
Irrtümer enthüllen, denen gegenüber die Kritik zunächst sprachlos ist, die aber dann
um so schonungsloser höher gehangen werden müssen, da sie meist auf eine kaum zu
entschuldigende Sorglosigkeit und Unachtsamkeit zurückführen. Wenn z. B. moderne
Seekarten dort Inseln verzeichnen, wo gar keine sind, ist dies nicht bloß ein bedauer
licher Irrtum, sondern sogar eine grobe Fahrlässigkeit. 1 Aber auch auf gewöhnlichen
Landkarten kommen verwandte Fehler vor, wie noch an zahlreichen Beispielen nach
gewiesen werden wird. In der geschichtlichen Entwicklung von der Erkenntnis der
Erdgestalt hat man ein gutes Mittel zur Verfügung, die Karte wertzuschätzen. Doch
ist bei diesen Untersuchungen Kritik und historische Methode als eins zu achten und
wird uns daher letztere als die bisher umfangreichste und bestgepflegte Methode gleich
ausführlicher beschäftigen.
8. Das kartographische Plagiat. Eng mit der Kartenkritik ist der Nachweis ver
knüpft, ob eine Karte ein Original oder eine Nachbildung ist. Damit berühren wir ein
heikles Kapitel, um das man gern herum geht und über das man sich, soweit ich die
Literatur kenne, nie ordentlich ausgesprochen hat. Und doch ist es gut, auch in dieser
Beziehung einige Bichtlinien zu gewinnen; denn im Grunde genommen lassen uns die
Gesetze über Nachdruck bei der Beurteilung des kartographischen Materials fast voll
ständig im Stich. Wir fangen gleich mit der bedauernswerten Feststellung an, daß wohl
auf keinem Gebiet, mit Ausnahme in der Musik, soviel gestohlen wird wie in der Karto
graphie, und auf keinem Gebiet kann der Diebstahl so leicht verschleiert werden wie
auf dem der Kartenherstellung. Das hängt einmal mit der Leichtigkeit der Hand
habung der Motive, d. h. der Kartendarstellungselemente und sodann mit der Schwierig
keit zusammen, die Originalität immer sicher nachzuweisen.
Die Klage über die Nachbildung von Originalkarten ist uralt, d. h. so alt, als
zum ersten Male Karten durch den Druck verbreitet und die Kartenmacher sich ihrer
Mühen und der Bedeutung ihrer Arbeit bewußt wurden. Mithin klopfen auch hier wir
wieder nicht vergebens bei der Renaissance an. Zu Apians Zeiten stand der Nach
druck in Belgien in hoher Blüte. 1 2 An seinem Cosmographicus liber hatte er es erfahren,
und darum suchte er seine dritte Weltkarte vor Ausbeutung zu schützen, denn wir
lesen darauf zum erstenmal von einem „Privilegium imperiale“. Mercator hatte für
seine Weltkarte in Deutschland ein auf 14 Jahre und in Belgien ein auf 10 Jahre gültiges
Privileg erhalten. Trotzdem hatte er über den Nachdruck seiner Karten zu klagen.
Mit dem Unwesen des Nachdrucks von Karten beschäftigte sich ausführlicher J. G. Gre-
1 Folgende merkwürdige Mitteilung hatte, wie aus London kurz vor dem Weltkriege berichtet
wurde, die britische Admiralität an die Marine ergehen lassen: „Kiel Island, das an der Westküste
von Palao oder den Paleoinseln liegend angenommen wurde, existiert nicht. Kiel Island ist deshalb
von allen Seekarten zu entfernen.“ Diese „Insel“ im nördlichen Teil des Stillen Ozeans, die niemals
existiert hat, nahm seit 50—60 Jahren auf den Karten der britischen Marine ihren Platz ein. Vor
mehr als einem halben Jahrhundert wurde sie „entdeckt“ und beschrieben und auch auf der Karte
eingezeichnet, aber als die Seeleute sie niemals zu Gesicht bekamen, wurden sie zweifelhaft und wußten
nicht, wem sie mehr trauen sollten, ihren Augen oder der Karte. Bevor diese skeptischen Anschauungen
aber in die Admiralität drangen, sind mehr als 50 Jahre vergangen, und erst ein deutsches Kriegs
schiff, das von der deutschen Admiralität zur Untersuchung dieser nie gesehenen Insel ausgesandt
war, hat Kiel Island als ein bloßes Phantom festgestellt. x
2 Vgl. H. Wagner: Die dritte Weltkarte Peter Apians v. J. 1530 und die Pseudo-Apianische
Weltkarte von 1551. Nachr. v. d. K. Ges. d. Wiss. zu Göttingen 1892, S. 546.