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Die Landkarte und ihr Gelände.
dieser Art nicht gefehlt. Indessen haben sie mit Ausnahme der Studie von J. Röger 1
meist Sondererscheinungen zum Vorwurf, die oft mit mehr philologischer als karto
graphischer Gründlichkeit behandelt werden. Größere Zeitabschnitte werden großen
teils kursorisch erörtert. Ein Überblick jedoch, der einen ganz bestimmten wissen
schaftlichen Zweck verfolgt, dürfte sich hier in die Reihe meiner Erörterungen
zwanglos einfügen.
Es bereitet einige Schwierigkeit, aus der bunten Mannigfaltigkeit des Auf
tretens und der Dauer kartographischer Erscheinungsformen Hauptepochen hervor
zuheben und sie zeitlich zu umgrenzen: wie bei jeglicher Geschichtsgliederung können
auch hier keine scharfen Grenzen zwischen den einzelnen Zeitabschnitten gezogen
werden. Mit dem Vorherrschen bestimmter Darstellungsarten des Geländes ist es
wie mit den Leitfossilien in der historischen Geologie. In gewissen Zeitabschnitten
treten sie besonders häufig auf und herrschen vollständig, während ihre Anfänge in
ältere Perioden hineinreichen und sich ihr Ausklingen oft weit in jüngere Zeit hinein
verfolgen läßt. Nicht selten treten bedeutende Neuerscheinungen sporadisch auf,
deren Einfluß auf ihre Zeit schwer oder gar nicht nachweisbar ist.
229. Schwierigkeit (1er Geländedarstellung. (Allgemeines.) Daß das Gelände
dasjenige Glied der Kartenbestandteile ist, das zu allerletzt einwandfrei darzustellen
gelang, entspricht ganz der Logik von Tatsachen, die wir in der Geschichte Vor
sehung und Entwicklung nennen. Der dritten Dimension im Kartenbild Herr zu
werden, daran haben Jahrtausende gearbeitet. Generationen um Generationen haben
sich bemüht, das Terrain den zweidimensionalen Gebilden der Karte als homogenes
Glied einzufügen. Alles Mühen und alles Streben hat erst das 19. Jahrhundert mit
Erfolg gekrönt; und trotzdem gelingt es heute noch nicht jeder kartographischen
Neuerscheinung mit ihrem Geländebild den Forderungen der geographischen Wissen
schaft zu genügen, weil es außerordentlich schwierig ist, die Fülle der Einzelgestal
tungen als Ganzes zu verarbeiten und das Typische herauszuarbeiten. Das Generali
sieren der Bodenerhebungen ist die schwierigste Arbeit des Kartographen (S. 331);
,,an ihr scheitert“, wie H. Wagner sagt, „die Mehrzahl unserer Kartenzeichner“.
Wo sie in strengem Sinn geübt wird, da fördern die Werke der wissenschaftlichen
Kartographen gerade dadurch, daß sie uns Übersichtskarten liefern, das Studium
der Länderkunde in hohem Maße, indem sie uns durch ihre Darstellung das Ver
ständnis der zusammenhängenden Terrainformen, seien es Hochländer, Terrassen,
Niederungen, Becken oder Gebirge und einzelne Berge erst richtig vermitteln. 1 2 Wie
die Worte Wagners durchblicken lassen, gehören zur guten Wiedergabe des Terrains
im kleinem Maßstab nicht bloß manuelle Fertigkeit, sondern auch tiefer gehende
geographische, vor allem morphologische Kenntnisse. Daß diese selbst hochstehenden
Völkern hei ihrer kartographischen Bestätigung fehlen können, habe ich an den
Terrainzeichnungen verschiedener Staaten nachzuweisen versucht (§ 30).
Die unendliche Schwierigkeit, die die Darstellung des Geländes bietet, liegt
außer in der Generalisierung vor allem und zunächst in der Fixierung der dritten
Dimension. Solange es die Karte mit der Veranschaulichung flächenhafter Elemente
zu tun hat, können durch Zirkel und Maßstab (Lineal) Größen und Lagen auf dem
1 .T. Röger: Die Geländedarstellung auf Karten. Eine entwicklungsgeschichtliche Studie.
München 1908.
2 H. Wagner: Lehrbuch der Geographie. 9. Aufl. Hannover u. Leipzig 1912, S. 11.