Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
Von den aztekischen Karten ist uns eine Anzahl erhalten, da sie auf Baumwollen- 
zeug gemalt sind. Mit der kartographischen Fertigkeit der Mexikaner läßt sich die 
der Inkas kaum messen. Von ihnen wissen wir, daß sie auf ihren Karten auch Berge 
in der primitivsten Art (Seitenansicht) zu zeichnen verstanden. 1 
Abgesehen von den katasterartigen Plänen Altägyptens und Altmexikos sind 
die ältesten Karten nicht durch Messen und Berechnen, sondern durch Schätzen 
entstanden. Das gleiche gilt von den kartographischen Gebilden der Natur 
völker; und man ist erstaunt, daß die große Abstraktion, die zum Anfertigen und 
Verstehen eines Kartenbildes gehört, so geringen Schwierigkeiten begegnet. 1 2 Ebenso 
hat man sich über die Gelehrigkeit der Wilden gewundert, sich auf fremden Karten 
zurechtzufinden, wovon Beisende, wie Hall, Irving Bosse, Bobert Stein, Hoch- 
stetter, Fritsch, und viele Missionsberichte Zeugnis geben. 3 Sand oder Asche, Stein, 
Binde, Holz, Leder, Papier waren das Material, dem kartographische Zeichnungen 
anvertraut wurden; sie wurden mit Finger oder einem Stock, mit Holzkohle oder 
Bärentalg hergestellt. 4 Perspektivischen Bergbildern begegnen wir bei den Natur 
völkern nicht, wohl aber kartographischen Gebilden, die wir Beliefkarten, besser 
Beliefs bezeichnen können. Den Tuareg und den Fellata wird nachgerühmt, daß sie 
ihre weitausgedehnten Gebiete im Sand ,,en relief“ darzustellen vermögen. Ferner 
gehören hierher die sog. „festen Steinsetzungen“ auf der Insel Mer in der Torres- 
straße. Beisende berichten von reliefartigen Karten in Sand und Stein bei den 
Eskimos im Kotzebue-Sund 5 , bei den Bothäuten, Maori, Südseeinsulanern (auf den 
Batakinseln). Die berühmte Karte des Tupaja von Tahiti, von der uns G. Förster 
eine Kopie überliefert hat, ist unter europäischem Einfluß entstanden. 6 
232. Die arabische Kartographie. Am Schluß dieses Kapitels wende ich mich 
nochmals einem Kulturvolk, den Arabern, zu, das mit seinen Karten etwas Be 
sonderes, für sich Abgeschlossenes bietet und nur in beschränktem Maße von 
Einfluß auf seine Zeit w r ar. Deshalb flechte ich hier bereits die arabische Karto 
graphie ein, obwohl sie zeitlich in das nachgenannte Kapitel gehört. Bei den be 
wundernswerten Leistungen in der Astronomie erwartet man zunächst einen hohen 
Stand der arabischen Kartographie. Trotz ihrer mathematischen Schulung und ihres 
mathematischen Denkens wußten die Araber mit der dritten Dimension auf der 
Karte nichts Kechtes anzufangen. Dies veranlaßte S. Günther zu dem Ausspruch: 
„Den Arabern fehlte jeder Sinn für Kartographie“. 7 Damit bestätigt er das Urteil, 
das 0. Peschei über die Kartographie der Araber fällte. Über die Karten des Per 
sers Isstakhris, die aus dem 10. Jahrhundert stammten und von Ihn Haukal, 
1 R. And ree: Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Stuttgart 1878, S. 202 —204. 
2 H. Schurtz: Urgeschichte der Kultur. Leipzig und Wien 1900, S. 634. 
3 Literatur hierüber vgl. bei R. Andree, a. a. O., insbesondere bei W. Dröber: Kartographie 
bei den Naturvölkern. Deutsche Geogr. Blätter XXVII, Bremen 1904, S. 29 — 46. Dieser Artikel ist 
ein Auszug aus des Verfassers Dissertation. Erlangen 1903. 
4 G. Friederici: Die Schiffahrt der Indianer. Stuttgart 1907, S. 11. 
5 Die Eskimos haben ausgesprochenes topographisches Talent, worauf R. Andree (a. a. O., 
S. 204) bei der Besprechung und Wiedergabe der Karte der Küstenlinie von Pikierlu bis Kap York 
des Eskimogeographen Kalliherua, alias Erasmus York, hinweist. 
6 J. R. Förster: Observations made during a vo\age round the world, 1778; deutsch von seinem 
Sohn, 2. Aufl. Berlin 1783. I. S. 442. Tupajas Karte ist bei R. Andree reproduziert, a. a. O., S. 207. 
7 S. Günther in G. J. IX. Gotha 1883, S. 411.
	        
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