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Die Landkarte und ihr Gelände.
erhalten die Formen Plastik und Leben; man spricht alsdann auch von einer per
spektivischen Ansicht des Geländes. Es bekundet sich da eben die Art und Weise,
wie seit alters her jeder talentvolle Mensch, der mehr Künstler als Kartograph ist, die
Berge gezeichnet, bzw. gemalt hat. 1
Die von Nordenskiöld vollständig reproduzierte Ptolemäusausgabe von Eom
aus dem Jahre 1490 ist der Nachdruck von den gleichen Kupferplatten der römischen
Ausgabe vom Jahre 1478. Nordenskiöld hat sich durch die vollständige Wieder
gabe der 27 Ptolemäuskarten große Verdienste erworben; und sein Faksimileatlas
bleibt eine Studien- und Übungsquelle ersten Banges, ganz gleich, auf welches Gebiet
der wissenschaftlichen Kartographie wir uns begeben. Auf die mannigfachen Berg
formen, die bereits im Faksimileatlas auftreten, hat E. Hammer hingewiesen. 1 2
287. Die ptolemäische Grundform der Geländedarstellung. Die ptolemäisclie
Aufrißform. Auf den Blättern der Ptolemäusausgabe vom Jahre 1490 finden wir
hauptsächlich nur eine Bergform, die etwas an jene charakteristischen, sich allerdings
in der Natur einzeln präsentierenden Basalt- und Phonolithkuppen der Lausitzer
Bergwelt erinnert. Die Bergform, die ziemlich steilwandig und oben abgerundet
erscheint, wird bald nebeneinander, bald hintereinander und gestaffelt gezeichnet,
so daß der Laie ein leidlich anschauliches Bild über die Ausbreitung der Gebirge
erhält. Bis in das 19. Jahrhundert hinein haben sich derartige Bergzeichnungen
erhalten. 3
Die ptolemäische Grundform wurde für viele Kartenwerke maßgebend, so für
Karten von Mercator, in Seb. Münsters Kosmographie, desgl. für die verschiedensten
Ptolemäusausgaben, beispielsweise für die Straßburger 1518; sie wurde im Laufe der
Zeit mannigfach variiert. Die steilwandige, abgerundete Kegelform artet zur Zucker
hut-, Bienenkorb- und Sackform aus. In der Ulmer Ptolemäusausgabe von I486 4
wie in der römischen von 1490 sehen wir bereits derartige Gebilde 5 , die auf Karten
anderer Verfasser sich breit und auffällig machen. 6 Bei Ptolemäus treten die Berge
durchweg vergesellschaftet auf. Abgesehen von den bereits betrachteten mittelalter
lichen Karten, die ich hier ausschließe, wagte man erst später die Bergzeichnung
auseinanderzureißen und den Einzelberg entweder zerstreut über das Kartenblatt 7
1 Sonto: A map of the world (J.E. Europe and Asia). With a map of the Sun Palace. Jap. 1808.
Die Berge auf der Spezialkarte (der Palastkarte) sind mit der Feder in Seitenansicht gezeichnet [Br. M.
London]. — Perspektivisch gedacht und gemalt auf Schirtingleinwand sind die Berge des Planes von
Kiautschou, angefertigt von einem Chinesen 1904 [U.-Bi. Göttingen]. — Hierher gehören auch die
ältesten kartographischen Monumente, sofern sie das orographische Element berücksichtigt haben,
auch die Peutinger-Tafel.
2 E. Hammer: Die Fortschritte der Kartenprojektionslehre, der Kartenzeichnung usw. G. J.
1894, S. 49.
3 So fand ich die Schweizer Berge gezeichnet im Brit. Museum auf der „Nouvelle carte géo
graphique des Postes d’Allemagne et des Provinces limitrophes“. Homanns Erben, Nürnberg 1813. In
der Bibi, von J. Perthes, Gotha: „Allgemeine Weltkunde, oder geographische statistisch-historische
Übersichtsblätter aller Länder“ von J. G. A. Galletti. Mit 20 General- und Spezialkarten. Leipzig
bei Joh. Fr. Gleditsch 1807. Die Berge sind auf den Karten durchweg in Hügelreihen dargestellt.
4 Ein gut erhaltenes Exemplar fand ich in der Ratsbibliothek meiner He'mat Löbau i. Sachs.
5 Nordenskiöld: Facsimile-Atlas. T. XIV.
6 Vgl. Weltkarte von Pierre Descalliers 1546 (Nordenskiöld: Periplus. T. LI). — Tabula
moderna Hispaniae. Rom 1552. [N. Bi. Paris.]
7 J. C. Rhode: Orbis veteribus notus auspiciis academiae regiae scient. Berol. editus. Berlin
1772 [k. Bi. Dresden].