Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Das Morgendäinmern neuer Geläudedarstellungen. 
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Bei vielen Festungs- und Stadtplänen in Kavalierperspektive wird die Schraffe 
Lei seitlicher Beleuchtung als Schattenstrich für die Plastik des Terrains in aus 
giebigster Weise angewandt. Selbst beim Schlagschatten fehlt sie nicht, wie z. B. auf 
der Ansicht von Salzburg 1 des berühmten Kupferstechers Matthias Münster aus 
Basel (1593—1651). 1 2 
Umfangreichere Gebiete in Halbperspektive darzustellen, gelang nur wenigen 
Meistern am Ende des 16. und 17. Jahrhunderts. Die kartographischen Glanzleistungen 
jener Zeit knüpfen sich in der Hauptsache an den Nürnberger P. Pfinzing, den 
Allgäuer Rauch und den Schweizer Gyger. Sämtliche drei waren mit den Auf 
nahmemethoden ihrer Zeit vertraut, die sie in dem Gelände ihrer engern Heimat er 
probten. Darum haben ihre Karten von vornherein einen Grad der Genauigkeit, 
wie wir ihn bei sonstigen zeitgenössischen Erzeugnissen nicht wiederfinden. P. Pfin 
zing (1554—1599) wirkte zur Zeit der Nürnberger Hochrenaissance. Interessante 
Zusammenhänge bestehen zwischen den kartographischen Leistungen und den archi 
tektonischen Meisterwerken jener Zeit. Auf Pfinzings Karte des Amtes Hersbruck 3 
sind die geographischen Objekte in Horizontalprojektion wiedergegeben, aber das 
mannigfach bewegte Gelände in einer von Süden gesehenen Halbperspektive, wo 
durch ein plastisches Bild der Geländeformen geschaffen wird, das durch die Schraffe 
erhöht wird, die einmal als Böschungs- und Schattenschraffe angewandt wird und 
sodann zur Markierung der regelmäßigen Anordnung der Ackerfurchen. Die ersten 
Anklänge der Regionalfarben finden wir hier, denn hellgrün werden die Tal 
böden, braun die Bodenerhebungen und graublau die Felsen gemalt. Durch die ge 
samte geschmackvolle Aufmachung der Karte und den reichen Inhalt steht die Karte 
turmhoch über den meisten andern Spezialkarten ihrer Zeit. Mit dieser Karte er 
reichte die Nürnberger Kartographie im Zeitalter der Spätrenaissance ihren Höhe 
punkt, den zu überbieten der Feldmeßkunst und der Kunst des Kupferstichs in Ver 
bindung mit der Fertigkeit im Illuminieren erst ein halbes Jahrhundert später gelang. 
Dem Pfinzing ebenbürtig war Johann Andreas Rauch (nicht Rauh) aus 
Wangen im Allgäu mit seiner Landtafel von Wangen, als Kartengemälde 1617 be 
endet, in Kupferstich 1647 fertiggestellt, und mit seiner Landtafel von Lindau, die nach 
dem 1628 fertiggestellten Kartenbild Rauchs gestochen worden ist. Der Maßstab 
beider Karten ist nach der Ermittlung E. Hammers ungefähr 1 : 21000. Obwohl 
auf die Karte schon von K. Braun, Reinwald und Regelmann hingewiesen worden 
ist, hat sie erst Hammer einem großem geographischen Kreis zugänglich gemacht 4 , 
und W. Sensburg hat in neuerer Zeit das Dunkel über Rauch vollständig gelichtet. 5 
1 Das Städtebild hat E. Oberhummer in d. Z. d. D. u. Ö. A.-V. 1901, S. 41 wiedergegeben. 
2 Das Schwergewicht der Kupferstiche in Münsters „Topographia Helvetiae“ 1642 oder 
,,Topographia Bavariae“ 1644 liegt weniger in den Karten als in den Stadtansichten. 
3 P. Pfinzing (der Ältere): Das Ampt Hersbruck samt den darin liegenden Ämptem Reicheneck, 
Engelthal u. Hohenstein. Nürnberg 1596. 150 x 142 cm. [Nürnberger Kreisarchiv.] Die Karte be 
steht aus 12 Blättern in ungef. 1: 16500. Sie zeigt bezüglich der Geländezeichnung dieselbe Schraffen- 
manier, wie sie Pfinzing 1592 bei der Kupferstichkarte des „Nürnberger Pflegeamtes Lichtenau“ an 
gewandt hatte. [70x49 cm. German. Mus.] In dem Pfinzinger-Bucli ist eine kleinere Kupferstich 
karte der erstgenannten Karte enthalten. 
4 E. Hammer: Die Karten von Wangen und von Lindau aus der ersten Hälfte des 17. Jahrh. 
Globus Bd. 73, 1898, S. 93-98. Mit 2 Abb. 
5 Waldemar Sensburg: Die Karte des J, A. Rauch in München nebst Nachrichten über ihn 
und seine andern topographischen Arbeiten. Mitt. d. Geogr. Ges. in München 1918, S. 127 — 144.
	        
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