Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Das Morgendämmern neuer Geländedarstellungen. 
431 
die Karte Alsatia superior et inferior, III talmlis delineata per Jacques Michal, 
1730 von M. Seutter in Augsburg (Maßstab etwa 1 : 120000) zeigt. 1 
Kückten bei parallel verlaufenden Flüssen die Talschraffenreihen weit von den 
Flußläufen ab, mußten sich die beiden Reihen schließlich begegnen. Damit entstand 
ein neues Moment in der Geländedarstellung. Man sah mit einem Male, daß sich 
zwischen den Flüssen langgestreckte Erhebungen dahinzogen, die Gewässer vonein 
ander trennten, auf denen die Wasserscheide verlaufen mußte. So hatte die Tal 
schraffur mit innerm Zwang zu der Annahme von Wasserscheidegebirgen geführt, 
die in der Kartographie wie in der physikalischen Erdkunde des 18. bis Anfang des 
19. Jahrhunderts eine Hauptrolle spielen. 1 2 Man zeichnete die Talschraffen länger, 
ließ sie nach beiden Seiten den Flüssen zu abfallen und verzichtete innerhalb des 
Kartenbildes schließlich ganz und gar auf die Wiedergabe einzelner Berge. Diese 
konnte man missen, gaben doch für damalige Zeiten die Wasserscheidegebirge schon 
einen Anhalt, sich ein Bild von der landschaftlichen und orographischen Ausstattung 
einer Gegend zu machen. Man war der morphologischen Erkenntnis des Erdfesten, 
wenn nicht frei von großen Irrtümern, so doch einen Schritt näher gekommen. Der 
große Interpret der neuen Theorie wurde Philipp Buache, dessen Carte phy 
sique de la terre aus dem Jahre 1752 (bzw. 1757) von ungemein großem Einfluß 
auf seine Zeit wurde. Nach richtiger Schlußfolge setzte Buache die Gebirge auf dem 
Boden der Ozeane fort. „Ces mers sont naturellement partagées par les chaînes 
marines, qui continuent sous les eaux, et dont les isles sont les sommets“, heißt es 
auf der Karte selbst. 3 
Eine weitere Folge der Theorie w r ar, daß die Berge, von denen nach verschiedenen 
Himmelsrichtungen Gewässer entströmten, für die höchsten Erhebungen der Länder 
und Kontinente gehalten und angesprochen wurden; der St. Gotthard galt als 
höchster Berg Europas bis ins 18. Jahrhundert hinein, den Ruhm, „Summae Alpes“ 
zu sein (s. S. 423), trat er an den Titlis ab und bald darauf an den Montblanc. In 
gleicher Weise galt das Fichtelgebirge für Deutschland als höchster Berg, für das 
mittlere und nördliche Rußland die Waldaihöhe. 
Man geht kaum fehl, wenn man die Wasserscheidegebirge als das Ergebnis ge 
lehrter Abstraktionen, die vielleicht Karten zur Grundlage hatten, auffaßt; an ihnen 
konnten, ohne darauf Rücksicht genommen zu haben, die offiziellen Kartenwerke 
nicht Vorbeigehen. So war denn auch die erste große topographische Karte des 
18. Jahrhunderts, die von Cassini de Thury, die an dem Wendepunkt einer neuen 
Epoche der Kartographie steht, vollständig von der Wasserscheidentheorie in der 
1 Ein Exemplar der Karte befindet sich z. B. i. d. Bi. d. Société Géographique in Paris. 
2 Vgl. Friedrich Schultz: Über den allgemeinen Zusammenhang der Höhen. Weimar 1803. 
3 Die Karten von Buache, vereint mit denen von de l’Isle, werden in Paris bei Dezauche 1761 
(am 1. Aug.) herausgegeben in der „Géographie physique, politique et mathématique des Etats et 
Royaumes de l’Europe.“ [Br. M. London.] — Auf Buache fußte L. Denis, in dessen „Explication de la 
Mappemonde“, Paris 1764, die Meergebirge und die durch sie abgetrennten Becken eingehender er 
örtert werden. In krasser Weise hat er die Buache sehe Theorie der Wasserscheidegebirge zum 
Ausdruck gebracht auf der „Carte-Physique de la France où l’on voit la division naturelle de ce 
Royaume en plusieurs bassins formés par les chains de montagnes dont les principales inclinent les 
terres vers les mers et les autres, renferment les bassins occupés par les fleuves.“ Paris 1780. 
Darauf sind die trennenden Gebirgsketten bis auf die Zwischenräume der Nebenflüsse peinlichst 
ausgeführt. [Br. M.] — Weiterhin fußt auf Buache der „Atlas élémentaire de géographie physique 
et politique, ancienne et moderne“ von E. Mentelle et G. P. Chanlaire. Paris 1708. [Br. M.]
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.