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Die Landkarte und ihr Gelände.
mal das Terrain in Grundrißmanier nach Hauptrücken, unter Annahme schiefer
Beleuchtung“ darstelle. 1 Daß dies nicht der erste Fall ist, wissen wir jetzt. Das
Terrain ist auch nicht in Schraffen ausgeführt, wohl aber auf dem 1744 erschienenen
Hackenberger sehen Plane des Schlosses Schröckenstein, der gleichfalls in Grundriß
manier aufgenommen ist.
Alles Manierierte und Massige, was der Homannschen Karte des Breisgaus noch
anhaftet, verschwindet in diskreter Weise auf einer Karte, die 40 Jahre später er
schienen ist. Die Carte géographique et minéralogique de la route de Brest à Paris
et de Paris à Tobolsk en Sibérie, divisée en 9 feuilles par M. l’Abbé Chappe d’Aute-
roche (Paris 1768) ist eine der besten Scliraffenkarten mit linksseitiger Be
leuchtung, die das 18. Jahrhundert hervorgebracht hat. Sie war der Niederschlag
der Beise, die der Abbé Jean Chappe d’Auteroche, ein berühmter französischer
Astronom, im Auftrag der Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er war,
nach Tobolsk unternommen hatte, um den Venusdurchgang vom 5. Juni 1761 zu
beobachten. Manche Blätter der Karte, wie beispielsweise Nr. VIII (I. Band), worauf
die Kama als Grenzfluß zwischen Europa und Asien bezeichnet wird, zeigt den Ural
in Schraffen so plastisch herausgearbeitet, daß er sich dem Papier zu entheben scheint.
Die Karte ist eine elegante, erstklassige Musterleistung damaliger Kartographie, der
etwas Gleichwertiges jener Periode nur schwer an die Seite zu stellen ist. 1 2
Noch eines merkwürdigen Vorkommens von Schraffenkarten aus den acht
ziger Jahren des 18. Jahrhunderts sei gedacht. In dem 49 Kartenseiten umfassenden
Atlas, den der Ingenieurhydrograph der Marine, Bonne, herausgab, bringt
Karte 38 Insel Jamaika in ca. 1:700000 und Karte 49 einzelne Antillen. Während
alle andern Kartenblätter das Gelände in der für Karten kleinern Maßstabes üblichen
Maulwurfshügelmanier zeigen, sehen war auf beiden genannten Karten das Terrain
im Grundriß und durch zart gewallte, linksseitig beleuchtete Schraffen plastisch dar
gestellt. Die Karten fallen ganz aus dem Bahmen des Atlas. Vielleicht haben diesen
Karten etwas ältere bereits in Schraffenmanier ausgeführte Seekarten zugrunde
gelegen. 3
249. Abirrungen der Sehraffenzeichnung. Klares Gelände darzustellen, wie es
die Karte von Chappe d’Auteroche oder die Breisgaukarte oder die Karte von Bizzi-
Zannoni zeigen, gelang nicht jedem Kartenzeichner. Man griff immer wieder auf die
alte Methode der Talschraffen zurück und begnügte sich schon mit ihrem ausgiebigen
Gebrauch für jedes Tal und Tälchen. Das Terrain wurde in einfacher Schraffen-
zeichnung dargestellt, die man Tannenzweigmanier nennen kann. Etwas Ab
wechslung wurde darin erzielt, wenn die Schraffen, die die Schattenseite des Höhen
zuges anzugeben hatten, kräftiger hervorgehoben wurden. Ein typisches Beispiel
dafür ist S. Schropps Weltkarte (Berlin 1801). Die Tannenzweigmanier findet sich
noch weit ins 19. Jahrhundert hinein. 4
1 K. v. Haradauer, a. a. O., S. 270.
2 Ein schönes Exemplar dieser Karte befindet sich im Britischen Museum.
3 Bonne: Atlas de toutes les parties connues du globe terrestre, dressé pour l’ouvrage de
Raynal: hist., philos, et polit, des établissements et du commerce des Européens dans les deux Tndes.
Analyse de 24 p. et 49 cartes gravées par Dieu. Paris (1785).
4 z. B. auf einer Weltkarte des Weimarer Geogr. Instituts: Vergleichende Übersicht über die
Berge der Erde. Weimar 1824.