Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Landkarte und ihr Gelände. 
fernten Gesichtspunkt einzunehmen, war gehlieben. Auf die einseitige Beleuchtung 
konnte man unter Umständen verzichten, da man erkannte, daß in der verschiedenen 
Anwendung der Schraffenstärke bereits eine plastische Kraft stecke, die eine be 
sondere Schattentönung als überflüssig erscheinen läßt. Diese wichtige Erkenntnis, 
die zu einer neuen Art von Terraindarstellungen führte, dokumentiert sich zum 
erstenmal in den beiden herrlichen, bereits mehrfach zitierten französischen Karten 
La Carte géométrique des environs de Rambouillet et Saint-Hubert und La carte 
topographique des environs de Versailles. Erstere wurde, wie wir wissen, von Ingenieur 
geographen aufgenommen und durch Wilhelm de la Haye 1764 in 1 : 43‘200 in Kupfer 
gestochen. Das Terrain ist bis in seine Einzelheiten richtig erfaßt und dargestellt, 
durch lange Schraffen (Schwungstriche), die an den steilsten Böschungen am kräf 
tigsten gezeichnet sind. Die senkrechte Beleuchtung ist konsequent durchgeführt 
wie bisher noch bei keiner andern französischen Karte. Die Ausführung des Lage 
planes erinnert an unsere gegenwärtigen guten topographischen Karten; dadurch 
hatte Frankreich eine anerkannte Musterkarte, die aber bezüglich des Terrains schon 
wenige Jahre darauf durch die Versailler Karte, genannt „Carte des chasses du 
roi“, im Maßstab 1 : 28800, übertroffen wurde. Sie wurde in den Jahren 1764 bis 
1778 aufgenommen und ist hauptsächlich das Werk des Obersten Berthier. Die 
Karte ist nicht bloß ein Meisterwerk der französischen, sondern der gesamten Karto 
graphie des 18. Jahrhunderts. Von ihr urteilt Berthaut: „C’est un véritable chef- 
d’œuvre de gravure, qui n’a jamais été dépassé depuis. ... Le terrain, bien étudié, 
est en hachures très fines, formant des teintes en lumière zénithale, graduées d’après 
les pentes, et se mariant très heureusement avec les pointillés des cultures, qui donnent 
à l’ensemble un fond gris, sur lequel les routes se détachent en blanc.“ 1 
Die senkrechte Beleuchtung hatte auch die bekannteste französische Karte 
des 18. Jahrhunderts La carte géométrique de la France von Cassini. Die Karte 
wird uns noch einigemal beschäftigen. Nicht ganz so geschickt wie auf den vor 
erwähnten französischen Karten wurde die Schraffe bei der Cassinischen Karte an 
gewandt. Bei genauerm Hinsehen finden sich in der Schraffenzeichnung (infolge 
der Jahre währenden Veröffentlichung) mancherlei Unterschiede; auf einigen Blättern 
ist eine einfache Schraffe verwendet, auf andern Blättern löst sie sich mit feinen, 
kaum erkennbaren Punktreihen ab, auf den Blättern, die das Pelvouxmassiv zum 
Vorwurf haben und zum erstenmal moderne Felszeichnung aufweisen, sind die Schraffen 
nur in feinen Wellenlinien gezogen. Überall aber verflüchtigt sich die Schraffe nach 
dem Talboden zu in Punkte und wird entsprechend dem Böschungswinkel dicker 
oder dünner gezeichnet. Cassini de Thury empfahl in seinen „Instructions pour les 
ingénieurs“ denjenigen Topographen, die wenig Geschick hatten, gleich bei der Auf 
nahme das Gelände richtig in Strichen darzustellen, mit den Buchstaben F und D, 
„qui désignaient les pentes fortes et douces“, die Böschungsverhältnisse auseinander 
zuhalten. Röger macht darauf aufmerksam 1 2 , daß zur selben Zeit (1750) auch dem 
österreichischen Ingenieurkorps zur Pflicht gemacht wurde, die Böschungen in Tusche 
laviert und dann in feinen gekreuzten Schwungstrichen darzustellen. Für Manuskript 
karten war es eine beliebte Methode, bei senkrechter Beleuchtung die Böschungs 
1 Berthaut: La carte de France 1750—1898. Paris 1898. T. 8. 137. — s. auch oben S. 429. 
2 J. Röger: Die Geländedarstellung, a. a. O., S. 26, sich stützend auf Roskievicz: Zur Ge 
schichte der Kartographie in Österreich. Mitt. d. Geogr. Ges. Wien 1873, S. 251, Anm.
	        
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