Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die historische Methode iu der Kartographie. 
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Schreiber der Karte und ihrer Theorie muß ebenso mit der Geschichte der Geographie 
und beider Forschungsmethoden vertraut sein wie mit der Philologie. Damit muß sich 
eine bedeutende mathematische Kenntnis vereinen. In der weitgehendsten Beherrschung 
dieser Wissenschaftszweige wird die Formel zu finden, sein, die zu dem gewünschten 
Ergebnis führt. Nur einer könnte sie jetzt erfüllen, das wäre H. Wagner in Göttingen. 1 
Warum konnte H. Berger eine so ausgezeichnete Geschichte der wissenschaftlichen 
Erdkunde der Griechen schreiben? Weil er mit einer gründlichen philologischen Schu 
lung eine auf gediegener geographischer Basis getragene weitsichtige Kritik verband. 
Ist es kaum möglich, jetzt schon eine allgemeine Geschichte der Karten zu schreiben, 
um so wünschenswerter sind die Einzelstudien, die die geschichtliche Entwicklung be 
stimmter Einzelkarten zum Vorwurf haben. Dem Mangel an einer allseitig abgerundeten 
auf wesentliche Entwicklungspunkte gestützte Geschichte der topographischen Spezial 
karte wäre zunächst abzuhelfen. Die Entwicklungsbilder der topographischen Karte 
einzelner Länder, wie von Frankreich, England, Italien, Rußland, den Niederlanden, 
Norwegen, Schweden, Österreich-Ungarn, Preußen, Bayern, Sachsen, können nur teil 
weise diese Lücke ausfüllen. Vielfach sind diese Einzelstudien lediglich unter mili 
tärischer Brille gesehen und kranken von vornherein an Einseitigkeit. Ein gutes Muster 
in der Behandlung, allerdings nur für ein einziges Land, hat Bert haut in seinem zwei 
bändigen Werke La carte de France 1750—1898 gegeben. 
Kann man allenthalben bei der Landkarte, selbst bei der Seekarte, Blicke in 
den geschichtlichen Werdegang werfen, ermangelt dies fast vollständig bei der an 
gewandten Karte. Bis jetzt sind uns schleierhaft die einzelnen Entwicklungsphasen 
der Verkehrs-, Wirtschafts-, statistischen, geologischen und anderer Karten. Allüberall 
drängen sich Probleme heran, die zu lösen der Mühe wert sind, da sie zuletzt auch die 
Menschheitsgeschichte ein Stück vorwärts bringen. Ein anderes wichtiges Kapitel 
aus der Kartengeschichte, obwohl sich das Material einer kritischen Sichtung und Er 
örterung schon mehrmals verlockend darbot, scheint noch lange ein Desideratum zu 
bleiben: Die gründliche und ausführliche Geschichte des Atlas, d. h. der systematischen 
Sammlungen von Karten in gleichem Format und nach bestimmtem Plan. Selbst die 
Geschichte des Stiel ersehen Atlas ist uns bis heute noch nicht beschert, obgleich sich 
vor dem fünfzigjährigen Jubiläum von diesem Atlas im Frühjahr 1864 der große Ge 
schichtsschreiber der Geographie, Oskar Peschei, mit dem Gedanken beschäftigte, 
eine Geschichte über den Atlas und seine Wandlungen zu schreiben. Neben den großen 
Handatlanten dürfte ein geschichtlicher Abriß der kleinen Atlanten nicht fehlen, die 
hauptsächlich mit den kleinen Mercator sehen Atlanten einsetzten 1 2 und zur Ent 
wicklung des Taschenatlas führten. Ferner fehlt uns eine Geschichte des Schulatlas, 
wobei nicht einmal nötig wäre, auf alle möglichen Veröffentlichungen einzugehen, 
sondern lediglich auf die, die das rein Pädagogisch-Methodische verfolgten und dem 
entsprechend gefördert haben, angefangen etwa mit dem bei Homann veröffentlichten 
methodischen Atlas von J. Hübner: Atlas methodicus explorendis juvenum pro 
fectibus in studio geopraphico ad methodum Hubnerianum accomodatus, Nürnberg 1719. 
— Ich kann mir nicht versagen, dennoch in einem Sonderabschnitt auf die Haupt 
momente der Atlasgeschichte einzugehen. 
1 Neben H. Wagner schien mir sein Schüler Aug. Wolkenhauer, gefallen d. 25. Febr. 1915 
in den Argonnen, der Gelehrte zu sein, bzw. zu werden, der obiger Formel voll entsprochen hätte. 
2 Tn Amsterdam wurden verschiedene Ausgaben von Mercatoris Atlas minor gedruckt, in 
Paris von S. Sansons Atlas portativ. Gregorii spricht schon 1713 von über 30 solcher Atlanten.
	        
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