Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die Kartographie als Wissenschaft. 
Schließlich sei noch auf drei Gesichtspunkte in der Geschichte der Karte hin 
gewiesen, die einer eingehenden geschichtlichen Forschung harren. Zunächst ist es die 
geschichtliche Entwicklung der verschiedenen Aufnahmemethoden, 1 sodann die Dar 
stellung der Reproduktionsweisen und ihrer charakteristischen Merkmale, 1 2 von der 
mittelalterlichen Manuskriptkarte an bis zur Kupferstich-, Steindruckkarte und den 
auf verschiedenem phototechnischem Wege reproduzierten Karten der Gegenwart, 3 
und drittens die geschichtliche Beleuchtung des Materials, auf das die Karten ge 
zeichnet sind. Teilweise führen uns derartige Kartendokumente in die älteste Geschichte 
der Menschheit zurück. 
11. Mittel und Wege der historischen Methode. Die historisch-kartographische 
Forschung bedient sich derselben Wege und Mittel, wie sie ganz allgemein in der Ge 
schichte und der Philologie üblich sind. Wie wir schon durchblicken ließen, reichen zu 
dieser Arbeit Mathematik und Naturwissenschaft starke Stützen. Die Forschung be 
schäftigt sich in der Hauptsache mit den Einzelkarten; erst neuerdings wird es Brauch, 
neben besondern Einzelerscheinungen und Data auch die Personen schärfer ins Auge 
zu nehmen. 
Kluge Köpfe ragen aus der zahlreichen Schar der Kartenmacher und Karten 
stecher hervor und geben ihren Schöpfungen ein bestimmtes Gepräge, das mehr oder 
minder auf gleichzeitige und künftige Arbeiten anderer Autoren einwirkt. Die Aufgabe ist 
unter Umständen nicht leicht, die richtige Würdigung für die Tätigkeit und den Einfluß 
älterer Kartographen zu finden. 4 Doch ist nach dieser Richtung in den letzten Dezennien 
mancherlei Erfreuliches zutage gefördert worden, dessen Gelingen allerdings vielfach 
vom Zufall der Entdeckung ältern Kartenmaterials abhing. 5 Einen der bedeutsamsten 
und wohl auch interessantesten Funde auf dem Gebiet der Karteninkunabeln haben 
wir in den zwei so lange vermißten Karten des Martin Waldseemüller 6 (Waltze- 
1 Viel Literatur dazu findet man in W. Jordans Handbuch der Vermessungskunde zusammen 
getragen. 
2 Es ist tatsächlich nicht immer klar ersichtlich, vermittelst welcher Reproduktionstechnik 
eine Karte entstanden ist; das bestätigt auch C. Vogel in einer Besprechung von Volkmars Werk 
(s. folgende Anm.) in P. M. 1885, LB. S. 405. 
3 O. Volkmar: Die Technik der Reproduktion von Militärkarten u. Plänen des k. k. mil. 
geogr. Inst, zu Wien. Wien 1880. Dasselbe erweitert und verbessert Wien 1885. — In den Mitt. des 
k. k. mil.-geogr. Inst, begegnet man noch einer Anzahl neuerer Abhandlgn. über die verschiedenen 
Reproduktionsmethoden. — Vgl. auch R. Lehmanns Vortrag auf dem Londoner Geographenkongreß. 
Report of the sixth International Geographical Congreß, held in London 1895. London 1895, S. 77ff. 
— C. Koppe: Wesen und Bedeutung der graph. Künste f. d. Illustrations- u. Kartendruck. Hamburg 
1898. — Ed. Wagner: Kartograph. Reproduktionsmethoden. G. Z. 1909, S. 204ff. 
4 Die Arbeit eines Kartenkritikers und -historikers ist sodann nicht anders als die, wie sie 
Lessing für seine Tätigkeit in den „Rettungen des Horaz“ kennzeichnet: „Ich selbst kann mir 
keine angenehmere Beschäftigung machen, als die Namen berühmter Männer zu mustern, ihr Recht 
auf die Ewigkeit zu untersuchen, unverdiente Flecken ihnen abzuwischen, die falschen Verkleisterungen 
ihrer Schwächen aufzulösen“. 
5 So sind z. B. Joh. Meyers Originalkarten von Dänemark u. Schleswig-Holstein als Wand 
schmuck in einer Gesindestube des Kopenhagener Schlosses entdeckt worden; die drei bekannten 
Merca torkarten auf dem Boden der Breslauer Stadtbibliothek von Hey er, die berühmten Waldsee- 
müllersclien Karten in der Bibliothek des Fürsten Waldburg auf Schloß Wolfegg in Württemberg 
durch J. Fischer. In der ehemaligen Universitätsbibliothek zu Helmstadt hat W. Rüge Christo- 
phorus Pyramius „Germania“ (1547) wiedergefunden, an der S. Günther achtlos vorübergegangen war. 
6 Die älteste Karte mit dem Namen Amerika aus d. J. 1507 und die Carta marinaausd. J. 1516 
des M. Waldseemüller (llacomilus). Hg. von J. Fischer und Fr. R. v. Wieser. Innsbruck 1903.
	        
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