Die Meisterjahre in der Geländedarstellung von der Mitte des 19. Jahrli. bis zur Gegenwart. 491
und höchstens für den Blindenunterricht wertvoll sind, verstehen wir unter Relief
karten hier lediglich die zweite Art. Hochbildartige Karten sind alle die Karten,
die ähnlich den Hochbildkarten eine plastische Wirkung durch Farbe oder Schum
merung erzielen, ohne jedoch auf ein wirkliches Relief zurückzugreifen.
Die erste Karte, die als hochbildartige Karte anzusprechen ist, die mithin so
gezeichnet ist, als oh ihr ein photographisches Hochbild zugrunde gelegen hätte, ist
eine Karte von Frankreich aus dem Jahre 1782, die den tüchtigen Kanal-General
direktor Gauthey zum Verfasser hat. 1 Für ihre Zeit war die Karte eine glänzende
Leistung ; die kleinern Geländeformen auf ihr gehen schon in eine Art Schummerung über.
Nach hochbildartiger Wirkung strebten seit Jahrhunderten die Karten der Alpen
länder, vorzugsweise der Schweiz. Die Dufourkarte hatte den Heißhunger nach
plastisch wirkenden Karten noch nicht gestillt. Die richtigen Mittel, all dem Streben
und Mühen den gewünschten kartographischen Ausdruck zu verleihen, erstanden
erst im Vielfarbendruck. Eine neue Kartenart wurde geboren, die für die Schweiz
besonders charakteristisch ist und als Schweizer Reliefkarten oder Karten in
Schweizer Manier Weltruf erlangt hat. Es sind die hochbildartigen Karten, an
denen in offiziellen und privaten Kartenanstalten * 1 2 — in der Schweiz ist die Trennung
der amtlichen von der Privatkartographie nicht so scharf wie anderwärts — mit
gleicher Ausdauer und Begeisterung gearbeitet wurde.
Das Charakteristische der Karten in Schweizer Manier ist neben der plastisch
wirkenden farbigen Höhendarstellung die deutliche Wiedergabe der Niveaulinien.
Die Lösung des Problems dieses Kartendruckes hat mehrere Jahrzehnte gedauert.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigte man sich in Frankreich damit. Trotz
des großartigen Werkes La topographie enseignée par des plans-reliefs et des dessins
von Bardin, Paris 1855, wollte es lange Zeit nicht glücken, in die Kurvenkarte Farben-
töne einwandfrei hineinzudrucken. Selbst in den neunziger Jahren scheinen die
Reproduktionen noch nicht den Intentionen des Originals zu entsprechen, wie wir
bei den Karten des französischen Alpenklubs feststellen müssen; denn die Schum
merung läßt sehr zu wünschen übrig, und wo die Schatten etwas dunkel werden, ver
schwinden die Schichtlinien und mit ihnen die Geländekleinformen. Brillierte eine
Karte mit ihren Relieftönen, dann fehlte sicher das geometrische Gerippe. 3
Der Schweizer Kartographie war es Vorbehalten, die Schwierigkeiten zu über
winden, die sich dem klaren und wirkungsvollen Zusammendrucke von Geländefarben
mit Niveaulinien entgegenstemmten. Wohl hatte um 1850 schon der Oberst Olivier
Zschokke in Aarau an dem Problem herumstudiert und war in seinen Versuchen von
den ersten kartographischen Autoritäten seiner Zeit, dem General Dufour und dem
Ingenieur Joh. Wild, dem Direktor der Kantonvermessung in Zürich, ermuntert
d. Erde i. Reliefprägung, Cassel s. a. — Von dem Woldemiannschen Atlas nimmt R. Lehmann länger
Notiz u. bezeichnet den Gedanken dieses Atlas als „an sich nicht übel“. Vorlesungen üb. Hilfsmittel
u. Metli. des geogr. Unterr. Halle a. S. 1894, S. 45.
1 Carte des chaînes de montagnes de la France, des ses principales rivières, et des principaux
canaux de navigation, faits, où à faire, dans ce royaume. 8. Sept. 1782. [Br. M. London.]
2 Berühmte Schweizer Privatanstalten sind: Wurster, Randegger & Co. in Winterthur;
H. Kümmerly & Frey in Bern. — Vgl. auch „Die Kartographia Winterthur“, vormals Topographische
Anstalt Winterthur, J. Schlumpf. Winterthur 1906.
3 Wie bei der in den neunziger Jahren in Ol gemalten „Carte de la Martinique“ in 1:40000 von
J. Gautier. Ausgestellt und bewundert auf der Weltausstellung in Paris 1889.