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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
zu weisen. Erfahrungsgemäß ahmt der Künstler, der am besten den anatomischen
Bau des Körpers versteht, die Natur in seinem Kunstgehilde am sichersten nach;
so wird auch der künstlerisch schaffende Kartograph, der die Gesetze des Aufbaues
und der Oberflächengestaltung der Erde kennt, die besten plastischen Darstellungen
liefern. Also mit bloßem Kunstgefühl und reiner Intuition ist es in der Kartographie
nicht getan.
Die künstlerische Plastik bedient sich entweder eines Farbtones oder mehrerer.
Dieser eine Farbton findet seinen Ausdruck entweder in Schraffen, Schummerung
oder Tuschton. Zu den ersten großem Karten, die sich eines einzigen Farbtons
(der Schraffen) bedienten, gehört die Dufourkarte. In der Schweiz hat sich .seit Jahren
ein besonderer Nährboden für das kartographische Kunstschaffen gebildet. Ins
besondere ist die künstlerische Farbenplastik zu einer Höhe geführt worden, die hart
an die Darstellung reiner Naturgemälde grenzt.
Zur wissenschaftlichen Plastik gehören Böschungsplastik und Farben-
plastik. Gegen die erstere Bezeichnung wird man ein wenden, daß sie nicht gut ge
wählt ist, weil bei ihr die Differenzierung durch ein Farbelement und nicht durch
die Methode oder Darstellungsmittel herbeigeführt wird. Doch das ist nur scheinbar.
Sie müßte ja auch richtiger klinometrische Plastik heißen. Indessen geben wir uns
mit der üblichen Bezeichnung zufrieden, da unter ihr absolut nichts Falsches zu ver
stehen ist. Sie wurde durch J. G. Lehmann in ein wissenschaftliches System gebracht
und ist seitdem kaum nennenswert verbessert worden. Der plastische Effekt geht
auf die Schraffe zurück; er kann auch durch eine Farbe erzeugt werden. Ausdrücklich
sei hervorgehoben, daß hier bloß die Plastik vor dem Forum der Erörterung steht
und nicht die Wiedergabe bestimmter Höhen.
Im Gegensatz zur künstlerischen Plastik, die von Haus aus subjektiver Natur
ist, soll die wissenschaftliche möglichst objektiv sein. Mit der ,,Farbenplastik“ ist
infolgedessen auch nicht die „buntfarbige“ Plastik der Schweizer Karten zu verwechseln.
Diese beruht auf einer Pürbensymphonie, die der Natur direkt abgelauscht ist. Die
Farben vermischen sich und fließen bei unbestimmten Grenzen ineinander über. Bei
der Farbenplastik liegt der Effekt in der gesetzlich geregelten Aneinanderreihung
von Farben, deren Raumwirkung optisch und physiologisch untersucht und erprobt
wird. Neuerdings hat die Farbenlehre ganz hervorragende Fortschritte zu verzeichnen.
Bevor viele unter ihnen für die Anwendung in der Kartographie reif werden, bedarf
es noch mancherlei Versuche und Erwägungen. Bis jetzt haben wir in der spektral-
adaptiven Farbenplastik K. Peuckers den bestgelungenen Versuch zu erblicken.
II. Die morphographische Induktion.
2!13. Die technisch-morphologische Geländelehre. Einzelformen. Gegenüber der
morphographischen Deduktion beschäftigt sich die Induktion einmal mit den einzelnen
Formen und Formelementen und sodann mit der Einreihung dieser Formen in ein
kartographisches Lehrgebäude. Deshalb scheiden wir die technisch-morphologische
Geländelehre von der reinen Geländelehre aus, die es in der Hauptsache mit
der Untersuchung der wissenschaftlichen Grundlagen der einzelnen Geländedar
stellungen zu tun hat.
Die technisch-morphologische Geländekunde hat sich in zwei Richtungen ent
wickelt, nach der rein technischen und der mehr morphologischen Seite. Jene empfängt