Die morphographische Induktion.
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mit den Schichtlinien unter rechtem Winkel schneiden. In der amerikanischen
Morphologie finden wir den Ausdruck „falline,“ der im Deutschen ohne weiteres mit
„Fall-Linie“ übersetzt worden ist 1 , aber durchaus etwas anderes bedeutet als das
deutsche Wort „Fallinie“, insofern die „fall-line“ die Linie ist, die die Stromschnellen
an den verschiedenen großem Flüssen verbindet und die obere Grenze der Schiffahrt
bildet. Um jegliche Konfusion zu vermeiden, muß es im Deutschen unbedingt „Wasser-
fallinie“ oder sonst ähnlich heißen, nur nicht „Fallinie“ allein. Zudem gebührt die
Priorität der Wortbildung „Fallinie“ der deutschen topographisch-kartographischen
Wissenschaft.
Außer den drei Hauptgeripplinien unterscheiden wir noch die Yerschneidungs-
und die Transversal- oder Schräglinien. Bei den erstem wechseln die Formen,
ein Böschungswechsel tritt ein, bei den andern wird die stetige oder gleichsinnige Ab
dachung nur kurz unterbrochen. Die Transversallinien können sich schräg über die
Abdachung hinziehen oder parallel zur Basis der Erhebung oder senkrecht zur Basis
richtung verlaufen.
In das Kapitel der Geripplinien kann man die Untersuchung über die Schicht
linien mit aufnehmen, weil im Grunde genommen der Verlauf der Fallinien ohne
Isohypsen kaum denkbar, geschweige konstruierbar ist. Und setze ich die Fallinie —
Schraffe, dann werden die Schichtlinien erst recht unentbehrlich. Das eigentliche
Feld der Untersuchung über die Schichtlinien gehört der reinen Geländelehre an.
Hier handelt es sich in der Hauptsache um den Verlauf der Schichtlinien. So wird
man darauf achten, daß sich bei Verschneidungen die Schichtlinien unter spitzem
Winkel schneiden, bei den Mulden dagegen bilden sie Kurven, die gegen die Höhe
ausgebogen sind. Bei den Binnen ist die Spitze der Schichtlinienwinkel gegen die
Höhe gerichtet. Bei dem Wasserriß werden die Schichtlinien Bruchstellen aufweisen,
bei den Bachein hinwiederum sind sie nur verbogen usw.
Das Studium der Geländeformen ist, wie wir oben schon andeuteten, mit der
Morphologie eng verknüpft. Diese bildet zum Erkennen der Formen den besten Weg.
Hinwiederum wird manche Betrachtungsweise, die für die Topographie notwendig
ist, für die Morphologie ohne Belang sein. Immerhin werden beide aus dem gegen
seitigen Verständnis Nutzen ziehen. Wer beide richtig versteht, wird sich schon bei
der Kartenaufnahme, selbst bei eiligen Feldarbeiten, vor groben Fehlern schützen
und sofort sein Auge auf die Hauptsache zu richten wissen; denn selbst bei eingehendem
topographischen Arbeiten soll nicht alles Mögliche aufgenommen werden, sondern
nur das, worauf es ankommt, was eben zur Charakteristik des Geländes unumgänglich
notwendig ist.
295. Die reine Gelämlelehrc. Bei der reinen Geländelehre entfernen wir uns
mehr und mehr von der Morphologie; d. h. deren Ergebnisse, soweit sie für den Aufbau
einer Karte in Frage kommen, werden stillschweigend vorausgesetzt. Die reine
Geländelehre untersucht die Art und Weise, wie das Gelände zur Anschauung gebracht
wird, die Mittel, die dazu gebraucht werden, die mathematischen Voraussetzungen,
die als Bichtschnur für den Geländeaufbau dienen, und schließlich das Ergebnis, zu
1 W. M. Davis u. G. Braun: Grundzüge der Physiogeographie. Leipzig u. Berlin 1911, S. 113.
— W. M. Davis: Die erklärende Beschreibung der Landformen. Deutsch bearbeitet von A. Rühl.
Leipzig u. Berlin 1912, S. 210, 211.